Wunderbar! Ich habe einen zweiten Spaziergang für euch. Also, wenn ihr mal in Paris seid, dann könnt ihr euch auf die Socken machen und es scheint mir so, als würde euch dieser Flaniervorschlag in deutlich touristische Gegenden führen, als der Erste es noch tat. Meine Empfehlung wäre auf jeden Fall, dass man bequeme Schuhe anzieht und sein Geld gut verstaut.
Maigret ist ein echter Paris-Kenner. Während viele Bewohner der Stadt ihren Quartieren verhaftet sind und kaum mal über den engen Tellerrand hinaus schauen (oder hinausgeschaut haben), brachte die Mordlust der Pariser den Kommissar in die verschiedensten Ecken von Paris. Aber von Spaziergängen ist selten die Rede, da geht Madame Maigret mit ihrem Mann vom Kino zurück.
Sein Freund und Arzt Pardon hatte ein Machtwort gesprochen: In diesem Jahr wäre ein Urlaub fällig und es gäbe keine Ausreden, es nicht zu tun. Der Körper würde seinen Tribut fordern und der Kommissar würde schließlich nicht jünger. Somit war klar: Im August würde Maigret nicht arbeiten. Er verpasste es aber trotzdem, sich rechtzeitig um den Urlaub zu kümmern. So wurde etwas Spezielles draus.
Insgeheim habe ich die Hoffnung, dass jetzt alle fix durchgeimpft werden und dann ein wenig Normalität einkehrt. Damit ergäbe sich die Chance, die im letzten Jahr abgesagte Reise nach Paris nachzuholen. Da habe ich so manchmal dran gedacht, als ich jetzt das Register für »Maigret als möblierter Herr« erstellt habe, und da kam mir auch der verwegene Gedanke, das Buch »abzulaufen«.
Maigret lag immer noch im Bett und sinnierte über den Fall des Verrückten nach. Er hatte mittlerweile einiges herausgefunden, über die Umstände der Tat und, um hier nicht zu spoilern, hört die Geschichte über den Verrücken von Bergerac an der Stelle auch schon auf. Es ist eine Telefonnummer, die man als Auslöser für den folgenden Eintrag betrachten kann. Paris Archive 11467. Maigret interessierte, wer dahinter steckte.
Ein Mann jenseits der siebzig lebt in einem großen Haus in Paris mit seiner Haushälterin und ein wenig Personal. Viel gibt es nicht mehr, was ihn erfreuen kann. Auf die Frage, ob sein Leben langweilig ist, vermag er nicht richtig zu antworten. Aber seine Kinder, stellt er fest, würden es wohl so sehen. Er geht nicht mehr aus, trifft sich hin und wieder mit einem befreundeten Arzt und muss zugeben, dass es eine Leere in seinem Leben gibt.
Psychiater würde wahrscheinlich noch gehen, Kinderarzt wahrscheinlich auch – bei allen anderen Arzt-Spezialisierungen wird es aber schnell blutig und das wäre nichts für mich. Die Härtesten sind aber wohl noch die Gerichtsmediziner – Pathologen –, die in allem möglichen Teilen »herumstochern«. Aber nur so bekam man heraus, dass Albert Rochain zuletzt ein Stockfischpüree zu sich genommen hatte.
Man darf nicht auf die Jahreszahlen schauen, da wird einem Angst und Bange. Wenn ich es recht sehe, ist es fast fünfzehn Jahre her, dass ich an einer Maigret-Tour durch Paris teilgenommen habe – sachgerecht und engagiert von Regine Zweifel durchgeführt – und wir landeten in einem Restaurant, welches einen Kommissar-Maigret-Tisch sein Eigen nannte. Gegessen hatten wir nicht, aber das Schildchen haben wir alle aufgenommen.
Immer, wenn wir in den letzten Jahren an der Sainte-Chapelle auf der Île de la Cité vorbeikamen, war vor dem Eingang eine abschreckend lange Schlange zu sehen. So ließen wir es Mal um Mal, die abgeschottete Kirche zu besuchen. Mitten unter der Woche, wenn die Touristen alle Mittagsschlaf halten oder in den Restaurants verschwunden sind, könnte es besser sein. Glaubten wir und irrten uns damit wahrscheinlich auch.
Eine der Sachen, die ich absolut faszinierend fand, als ich das erste Mal in Paris war - und ich meine mit »faszinierend« nicht, dass es mir gefallen hat - war eine Tierhandlung gegenüber der Île de la Cité am Quai de la Mégisserie. Dort wurden, was ich vorher bisher noch nie gesehen hatte, sogar kleine Hunde zum Verkauf angeboten. Da wir gestern dort waren, habe ich gleich mal nachgeschaut, ob das noch so ist.
Ganz gewiss hatten wir, als wir in Paris ankamen, nicht die Idee gehabt, den Spuren eines Maigret-Romans zu folgen. Aber vorgestern fiel mir in einem kleinen Antiquariat in Saint-Paul ein Stadt-Plan von Paris aus den zwanziger Jahren in die Hände. Da dachte ich, es wäre doch witzig wenn man einem Roman auf Basis dieses Heftchens folgen würde. Meine Madame ist für solche verrückten Ideen auch immer zu haben.
Du weißt, dass sich etwas geändert hat, wenn um Dein Lieblingsviertel herum plötzlich Sushi- und Nudel-Restaurants entstanden sind. Dann musst du dort eigentlich gar nicht mehr durchgehen, wenn Du nicht gerade ein Herz für Edel-Boutiquen, In-Cafés und Galerien hast. Wobei die Galerien wohl das geringste Übel sind. Aber die Makler preisen ihre Ware nun aus riesigen Läden an. Alles ist verloren, zumindest im Marais.