Ein Leben


Wer war der Mann, der es im Jahr auf drei bis vier Veröffentlichungen schaffte und ein so immenses, qualitativ hochwertiges literarisches Erbe hinterließ? Simenon kannte nicht nur das Arbeiten, er wusste auch zu leben und zu lieben. Ein kleiner Einblick...

Paradox. Der Mann, der den größten Pariser Kommissar erschuf, war ein Belgier. Georges Simenon wurde am 13. Februar 1903 in Lüttich geboren. Es wird berichtet, dass die abergläubische Mutter versuchte, den Geburtstag vordatieren zu lassen. Der Vater muss zumindest im Dienst ein sachlicher Mensch gewesen sein – er arbeitete als Versicherungsangestellter.

Schule. Er besuchte von 1909 an fünf Jahre lang eine katholische Elementarschule. Georges muss ein fähiger Schüler gewesen sein, ansonsten hätte er die Abschlußprüfung nicht mit 294 von 315 möglichen Punkten gemeistert. In den Jahren des ersten Weltkrieges besuchte Simenon ein Jesuitenkolleg; er will entweder Schriftsteller oder Priester werden. Aufgrund einer schweren Erkrankung seines Vaters musste er aber die Schule vorzeitig verlassen.

Einstieg. Er nimmt eine Arbeit als Verkaufsgehilfe in einer Buchhandlung an, wird aber nach sechs Wochen entlassen. Die Lehre als Konditor bricht er ebenfalls ab. Er wird Lokalreporter bei der »Gazette de Liége« und beglückt die Zeitung neben seinen Prozessberichten mit einer Klatschspalte. 1920 folgte dann sein erster kleiner Roman. »Au Pont des Arches« beschäftigt sich auf humorvolle Art und Weise mit Lütticher Sitten. Das Buch wird unter einem seiner Zeitungspseudonyme veröffentlicht: »Georges Sim«. Simenon hatte beschlossen, erst dann unter eigenem Namen zu veröffentlichen, wenn er sich fähig glaubt, die Literatur zu schreiben, die seinen Ansprüchen genügt. Die Geschichte des Pseudonyms wird übrigens in »Maigrets Memoiren« aufgegriffen.

Liebe und Tod. 1921 erfolgt die Verlobung mit Régine Renchon, einer jungen Malerin. Ihr Vater hatte Liebesbriefe gefunden, die keinen Kommentar benötigten, und bestand auf einer Verlobung. Simenons Vater starb in diesem Jahr. Simenon war erschüttert von dem Eindruck, den der sterbende Vater auf ihn hinterließ. Im folgenden Jahr geht er nach Paris. 1923 ehelicht er in Paris seine Verlobte.

Arbeit. In den folgenden zehn Jahren schreibt Simenon an die 1000 Kurzgeschichten. Mitte der zwanziger Jahre wendet er sich der Produktion von Groschenheften zu. Er betrachtet dieses »Schreiben« als Arbeit und erreicht mit den Romanen ein beachtliches Einkommen. Noch immer betrachtet er sich als nicht vollwertigen Schriftsteller und veröffentlicht unter Pseudonymen. Bis 1924 ist er Privatsekretär und Reisebegleiter des Marquis de Tracy, im Jahre 1925 schließt er einen Vertrag mit dem Verleger Tallandier über die regelmäßige Lieferung von Groschenromanen.

Episode. Im Jahre 1927 wird Simenon Alleinherausgeber und Redakteur der Zeitschrift »Le Merle blanc«. Die Zeitschrift hat keinen Erfolg.

Ansichten. Im Jahre 1928 bricht Simenon zu einer fünfmonatigen Flußreise auf. Dem Wasser bleibt er sehr verbunden, denn 1929 lässt er sich ein eigenes Schiff bauen. Mit diesem Schiff will er über Belgien und Holland bis in die Ostsee fahren. Wir können froh sein, dass er nicht untergegangen ist, denn erst 1930 erscheint eine Erzählung, in der ein Kommissar Maigret auftaucht – »Nachtzug« heißt die Erzählung. 1931 veröffentlicht Simenon die erste Maigret-Erzählung unter seinem eigenen Namen: »Maigret und Pietr, der Lette« (1929 in Holland geschrieben). Auch in den darauffolgenden Jahren ist Simenon viel unterwegs, er bereist zuerst Afrika und Europa (1932/33) und unternimmt dann eine Weltreise (1935).

Familie Teil 1. 1939 wird sein Sohn Marc geboren.

Ärzte und Amerikaner. Ein Arzt diagnostiziert bei Simenon eine Angina pectoris, eine Krankheit, an der auch schon sein Vater starb. Folge dieser krassen Fehldiagnose – schließlich lebte Simenon noch fast fünfzig Jahre – war eine erste Biographie. Nach dem Krieg, der übrigens in Simenons Werk kaum eine Rolle (Ausnahme im weitesten Sinne: »Der Schnee war schmutzig« [»La neige était sale«]) spielt, siedelt er mit der Familie nach Amerika um. Hier entstehen 26 Maigret-Erzählungen.

Familie Teil 2. Beginn einer Affäre mit Denise Ouimet, die später seine Sekretärin wird. 1949 wird der gemeinsame Sohn John geboren. Im Jahr darauf erfolgen die Scheidung von Régine und die Heirat von Denise. Drei Jahre nach der Heirat wird die Tochter Marie-Jo geboren, 1958 Sohn Pierre. Zehn Jahre nach der Übersiedlung kehrt Simenon zurück nach Frankreich.

Überraschung. 1973 gibt Simenon bekannt, dass er keine Romane mehr schreiben würde. Vorausgegangen sind dem unfreundliche Kritiken seiner letzten Bücher. Ob ein Zusammenhang besteht, sei dahingestellt. Er beginnt damit seine Memoiren auf Tonband zu sprechen.

Vorhang zu. Am 4. September 1989 stirbt Simenon in Lausanne. Ein Jahr zuvor wurden seine Beine und ein Arm durch eine Gehirnblutung gelähmt.
Eine Nachricht, die im Wirbel der Zeit untergegangen ist.