Fliegen die Buchstaben, Wörter, Sätze beim Lesen an mir vorbei, entstehen vor meinem geistigen Auge Filme. Maigret und seine Kollegen, für jeden habe ich ein Gesicht. So geht mir das auch mit den Gesprächen, die geführt werden und den Handlungen, die uns der Autor in einer Geschichte schildert. Blöd ist's, wenn dieser Film plötzlich durch ein Fehler im Skript gestört wird. Da wird es dann schräg.
In der beliebten Reihe »Schau an, so etwas gab es auch mal« wird diesmal eine Gerätschaft vorgestellt, deren Nutzen spätestens seit dem späten 18. Jahrhundert infrage gestellt werden musste – sich aber bis in das 20. Jahrhundert behauptete. Wer heute auf den Trichter käme, mit diesem Accessoire – der Lorgnette – in der Öffentlichkeit aufzutauchen, dürfte modisches Aufsehen erregen wollen.
»Moment, wo bin ich denn gerade?« Das kam mir bei dieser kleinen Affäre in den Sinn und unweigerlich auch die Frage, ob ich falsch liege, Simenon oder der Übersetzer. Aufgrund einer angeborenen Macke habe ich sehr ungern Unrecht, was aber nicht bedeutet, dass, wenn ich mich bestätigt sehe, ich unbedingt die Hände wie bei einem Sieg hochreiße. Diesmal geht es um Flüsse.
Maigret hatte einen Brief in sein Lütticher Hotel bekommen. Der sehr geehrte Herr Kommissar, so stand es in dem Schreiben, möge sich doch bitte in dem Café de la Bourse hinter dem Théâtre Royal einfinden. Sehr interessante Neuigkeiten zu dem Fall könnten überbracht werden, hieß es dort. Für Maigret war das berufsbedingt spannend. Und wir finden noch ganz andere Aspekte ...
Franzosen könnten aus einem Telefonbuch vorlesen, meinte meine bessere Hälfte bei verschiedenen Gelegenheiten, es würde trotzdem sexy klingen. Lässt man das wenig poetische »Merde« außen vor, so hört sich jedes französische Wort toll an. Ein »Non« klingt nicht so hart wie ein deutsches »Nein« und ein »Oui« besser als das Pendant bei uns, bei dem man auch ein »jawohl« davor setzen könnte.
Maigret stieg aus dem Zug aus. Das Licht an der Côte d'Azur ist ein spezielles, die Augen müssen sich erst daran gewöhnen und dann war es da ... dieses Gefühl von Ferien, was den Kommissar aus Paris überkam. Es ist der erste Absatz, der Leser:innen in die gleiche Stimmung versetzt, den Wunsch nach Ausspannen, nach Sonne, vielleicht auch nach einem Pastis. Vorausgesetzt ...
Der Monat neigte sich dem Ende zu, somit wurde es Zeit, auf die Kalenderdaten des nächsten zu schauen. Bei der Recherche nach zu nennenden Titeln stieß ich auf den Endjahres-Roman »Im Falle eines Unfalls«. Die Geschichte begann im November und schloss am Ende des darauffolgenden Monats. Ein wenig Neugierde brachte mich zum Stolpern.
In der komischen Zeit, in der das ganze Wissen nicht mit einem Smartphone abrufbar war, stellte ich mir die Frage, warum und woher der Begriff »Backfisch« für eine junge Frau käme. Die Erklärung, die ich fand, war, dass es aus dem Englischen käme und Fische bezeichnete, die zu klein für den Teller waren. Das nahm ich hin. Ein Simenon stellte mich nun vor dieselbe Fragestellung.
Simenon pflegte in einfacher Sprache zu schreiben. Diese Beteuerung mag korrekt sein, hilft aber nicht, wenn man des Französischen nicht ausreichend mächtig ist. Übersetzungen schaffen Abhilfe. Im Oktober 2004 führten wir ein Gespräch mit Ingrid Altrichter, einer bekannten Übersetzerin von Simenon-Romanen. Das Gespräch gibt interessante Einblicke in die Arbeit der Übersetzenden.
Schriftsteller legen ihren Figuren in ihren erfundenen Geschichten Gesagtes in den Mund. Einerseits ist es wichtig, dass das Gesagte zum Kontext passt (oder absichtlich manchmal auch nicht) und zum anderen, dass die Wortwahl zu den Protagonisten passt. Würde ein Hamburger einen anderen morgens mit »Grüß Gott!« grüßen – es wäre schon arg merkwürdig.
In den Geschichten, die um Porquerolles herum spielen, lässt Simenon seine Figuren sehr viel Angeln. Es ist erstaunlich, was er seine Figuren aus dem Wasser holen lässt und zeigt, dass sich der Schriftsteller in dem Metier gut auskannte. Ich nehme das hin, da mich an Fischen nur zwei Sachen interessieren: Sind sie hübsch oder haben sie Gräten?
Die Übersetzenden sind in den letzten Jahren sichtbarer geworden. Das liegt weniger daran, dass die Verlage das unbedingt wollten – es war ein zäher Kampf, der von den Übersetzer:innen noch nicht beendet ist. Dafür, dass ihre Arbeit aber für die Nicht-Fremdsprachen-Kundigen elementar ist, werden sie aber äußerst selten auf das Podest gehoben.