Im Laufe der Jahre

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Maigret hatte keine Lust zu arbeiten. Mitte Juni, und der Papierkram war so langweilig. Da das Beobachten zu seinem Beruf gehörte, machte er sich daran, dieses zu trainieren:

Dreimal umsummte die Fliege seinen Kopf, ehe sie sich in der linken oberen Ecke des Berichts niederließ, den er eben mit seinen Randbemerkungen versah.
Maigret hielt inne, den Bleistift in der Schwebe, und sah ihr halb amüsiert, halb neugierig zu. So ging es nun schon seit beinahe einer halben Stunde, und es war immer dieselbe Fliege. Maigret hätte schwören mögen, dass er sie wiedererkannte. Im übrigen war es ja auch die einzige in seinem Büro.
Die Fliege kurvte durchs Zimmer, beschrieb einige Kreise in dem in Sonne getauchten Teil, flog um den Kopf des Kommissars herum und landete endlich auf dem Bericht. Einmal gelandet, rieb sie träge ihre Beinchen gegeneinander, als hätte sie es darauf angelegt, Maigret zu verhöhnen.
Ob sie ihn tatsächlich anschaute? Und wenn, was mochte sie in dem Fleischberg sehen, der da riesig vor ihr aufragte?

Diese idyllische Zweisamkeit zwischen dem Polizisten und der Fliege wurde von Joseph unterbrochen. Eine Visitenkarte in der Hand meinte der, ein Mann wünscht, empfangen zu werden.

Léon Florentin
Antiquar

Der Name sagte ihm was, und nachdem der Bürodiener ihn beschrieben hat, wusste Maigret auch, woher: Florentin war sein Mitschüler am Lycée Banville in Moulin gewesen – der Klassenclown.

Was der gute Mann zu berichten hatte, war weniger lustig. Er käme gerade aus der Wohnung seiner Freundin, die dort ermordet worden sei. Entdeckt kann man sagen, überrascht er nicht, denn er hätte so was wie einen Schuss gehört, als er sich in dem Schrank versteckt hielt. Klingt kompliziert? Ist es auch.

Seine Freundin – Joséphine Papet, Josée genannt – hatte ein paar Freunde: die sorgten mehr oder weniger für ihren Lebensunterhalt, jeder für sich, nicht ahnend, dass es andere Versorger gab und einen, der auf Kosten von Josée lebte: nämlich Florentin.

Einer von denen, da ist sich der Antiquar sicher, hat seine Freundin umgebracht, da er es nicht gewesen ist, ein Motiv hat er ja schließlich nicht. Der Kommissar wird von Minute zu Minute übellauniger, hätte ihn der Kerl nicht in Ruhe lassen können? Musste er unbedingt zu ihm kommen, es gab doch auch ein Kommissariat in dem Viertel? Da ließ sich nicht ändern…

Mit der vollen Mannschaft rückte die Kriminalpolizei (es heißt ja auch hin und wieder Überfallkommando) in die Wohnung von Josée ein und stellte selbige auf den Kopf. Maigret macht sich, nachdem er den Tatort besichtigt hat, mit Florentin zusammen auf den Weg zu dessen Wohnung. Es war nicht von Vorteil, dass Maigret dort 48 000 Francs fand, die nicht von Florentin sein konnten.

Viele Indizien sprachen gegen Florentin, warum zögerte Maigret, ihn verhaften zu lassen? Das fragen sich nicht nur die Inspektoren und der Untersuchungsrichter, der Kommissar fragt sich das auch selber – ohne eine Antwort zu finden.