Jade Labeste

Eine Frau aus der Provinz


Die siebenundzwanzigjährige Jade Labeste spielte in der Roman-Verfilmung an der Seite von Gérard Depardieu die Figur der Betty. Für die Schauspielerin, die 2017 in das Filmgeschäft einstieg, war es die erste Hauptrolle in einem großen Film und anlässlich der Veröffentlichung gab sie für die »Pressemappe« ein Interview zur Arbeit mit ihrem großen Schauspiel-Kollegen und dem nicht minder prominenten Regisseur.

Wie sind Sie an Ihre Figur herangegangen?
Zunächst einmal, indem ich Brücken zu mir selbst schlug, denn wie Betty bin ich eine Frau aus der Provinz, die nach Paris gekommen ist! Dann habe ich versucht, sie in ihrer Intimität zu verstehen, um sie besser aufbauen zu können: Wie drückt sie sich aus? Was ist ihr Charakter? Schon im Drehbuch war ihre Beziehung zu Maigret erkennbar, die ich als sehr bewegend empfand. Diese Beziehung lag Patrice sehr am Herzen: Betty gibt es im Roman nicht und sie bringt eine emotionalere Dimension in die Geschichte. Ich fand das wunderbar – die Parallele zu dem verlorenen Kind und die Tatsache, dass Maigret dieses Mädchen ohne Hintergedanken unter seine Fittiche nimmt, hat mich sehr berührt. An einem bestimmten Punkt glaubt sie noch, dass es zu einem Austausch von Dienstleistungen kommen muss, aber er lässt sie wissen, dass das nicht seine Absichten sind, und schließlich verstehen sie sich.

Daraus ergibt sich eine eher väterliche Beziehung. Welchen Werdegang hat Betty?
Ich habe ihn als eine Metamorphose gesehen, die mit der Geburt der Weiblichkeit einhergeht: Betty kommt mit nichts in Paris an und endet elegant, geschminkt, mit einem modischen Haarschnitt und einem wunderschönen Abendkleid. Es war sehr schön, dieses Mädchen zu sehen, das anfangs auf der Straße schläft und schließlich erblüht und findet, was sie gesucht hat. Es ist wie eine Art Initiationsreise für sie. Betty und Maigret finden beide durch ihre Begegnung zueinander: Es gelingt ihnen, Frieden mit ihren schwierigen Lebensumständen zu schließen – Maigret mit dem Verlust seines Kindes und Betty mit ihren Lebensentscheidungen, um ihrem Dasein in der Provinz zu entfliehen.

Wie bereitet man sich auf eine solche Rolle vor?
Patrice hatte mir gesagt, ich solle mir nicht zu viele Fragen stellen, da er bereits viel von der Figur in mir sah. Da es sich aber um meine erste große Filmrolle handelte und ich einen großen Schauspieler als Partner hatte, wollte ich mich trotzdem auf das »Sprechen« der 1950er Jahre einstellen. Ich habe also an der Phrasierung gearbeitet und bei den Körperhaltungen habe ich über die Entwicklung der Figur und die Art und Weise nachgedacht, wie sie steht, spricht, isst, trinkt etc.

Sie hatten Gérard Depardieu als Schauspielpartner...
Am Anfang war ich furchtbar gestresst, aber es hat sich sofort etwas entwickelt. Ohne genau zu wissen, woran das lag, haben wir uns sehr gut verstanden. Ich fühlte mich sofort wohl: Er nahm mich unter seine Fittiche, begleitete mich, wir sprachen über die Rolle, die Verbindung zwischen den Charakteren und arbeiteten zwischen den Aufnahmen an unseren Szenen. Manchmal gab er mir Ratschläge. Man ist mit Gérard in der Unmittelbarkeit des Spiels, und bei ihm gibt es keinen Unterschied zwischen dem Leben und der Aufnahme. Er hat mich in diesen Fluss und diese Freude am Spiel mitgenommen, so dass es unmöglich war, nicht direkt an seiner Seite zu spielen.

Wie führte Patrice Leconte die Schauspieler?
Wir waren alle auf einer Wellenlänge und glücklich, dabei zu sein. Mit Patrice gibt es etwas sehr Natürliches und Fließendes auf dem Set. Er dreht nur wenige Einstellungen, höchstens zwei oder drei, die Dinge gehen schnell, und man hat keine Zeit, viel nachzudenken. Er weiß genau, was er will, aber er lässt einem innerhalb dieser Präzision viel Freiheit.