Blutente nach Vichy

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Maigret ist abgespannt. Ihm fehlt der rechte Appetit für seine Lieblingsspeise, und das irritiert nicht nur Madame Pardon als Gastgeberin, sondern auch Maigrets Freund. Nach dem Essen bittet er Maigret in das Behandlungszimmer, und untersucht ihn gründlich. Widerwillig folgt Maigret. Da keine organischen Schädigungen vorliegen, und Pardon es dem Stress bei der Kriminalpolizei und dem Alter zuschreibt, wird Maigret in Kur nach Vichy geschickt.

»Eine Kur?«
»Ein paar Glas Wasser am Tag… Ich glaube nicht, dass der Facharzt Ihnen die Schlamm- und Mineralbäder antut, beziehungsweise Heilgymnastik und das ganze Brimborium! Sie sind kein außerordentlicher Fall… Einundzwanzig Tage regelmäßiges, sorgenfreies Leben…«
»Ohne Bier, ohne Wein, ohne schwere Saucen, ohne…«
»Wie viele Jahre haben Sie das alles ungehindert genossen?«
»Nun ja, ich hab’ meinen Anteil gehabt…«, gestand Maigret.

Dort muss er sich einer neuen Tortur unterwerfen: dem Kurarzt Dr. Rian. Der hat eine sehr unangenehme Art, Maigret auf seine vielen Sünden hinzuweisen.

»Halten Sie sich an irgendeine Diät?«
Musste er jetzt nicht zugeben, dass er geschmorte Gerichte liebte, Ragouts, Saucen, die nach sämtlichen Johanniskräutern der Welt dufteten?
»Aha, Sie sind also nicht nur ein Gourmet, Sie sind auch ein großer Esser?«
»Ziemlich, ja…«
»Und wie steht’s mit dem Wein? Ein halber Liter am Tag, ein Liter?«
»Ja… Nein… Mehr… Bei Tisch trinke ich gewöhnlich nur zwei, drei Glas… Im Büro trinke ich hin und wieder ein Bier, das ich mir aus einer Brasserie um die Ecke heraufbringen lasse…«

Der Art in die Mangel genommen, auf den Beichtstuhl gesetzt, schleicht sich bei Maigret ein schlechtes Gewissen ein. Er muss sich verteidigen. Der Arzt fragt aber nur, das Urteil das er fällt ist harmlos: Mineralwasser zu einer bestimmten Zeiten aus bestimmten Quellen trinken.

Ein schönes Leben. Madame Maigret und ihr Gatte brechen morgens zum Spaziergang auf, »erobern« die Stadt, besuchen die Quellen, beobachten die Boulespieler, Maigret bleibt mittags Zeit für ein Schläfchen, und abends besuchen sie Kurkonzerte in Vichy. Interessant macht aus das beobachten der verschiedenen Kurgäste, die Einordnung der Leiden. Ruhig und erholsam.

Bis zu dem Tag, an dem die Frau in Lila, die von Maigret und seiner Frau Tag für Tag beobachtet wurde, und die Maigret in keine Schublade einordnen konnte, ermordet wird. Ungnädig, noch im Bett liegend, nimmt Maigret diese Nachricht auf. An diesem Tag ändert sich zum erstenmal die Route ihrer Spaziergänge. Maigret macht einen Umweg, um sich den Tatort wenigstens aus der Ferne anzuschauen.

Da, gerade als er sich wieder in Bewegung setzten wollte, tauchte ein großer Bursche mit Struwwelkopf in der Tür auf, überquerte die Straße und ging schnurstracks auf Maigret zu.

»Der Kommissar würde Sie gerne sprechen…«
Madame Maigret gelang es, ein Lächeln zu unterdrücken.

Désiré Lecoer empfängt ihn, ein Inspektor der unter Maigret »gedient« hat, und den er seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hat. Dieser hat nun die Aufgabe, den Mordfall aufzuklären. Er macht keinen Hehl daraus, dass jeder Polizist in Vichy von der Anwesenheit des berühmten Kommissars weiß. Mit Lecoers Ankunft in Vichy wurde ihm diese Meldung dargereicht. Tja, und wo der große Chef nun einmal da ist.

Vor, zwischen und nach seinen Gesundheitsgläsern macht sich Maigret die folgenden Tage zum auf den Weg zum Tatort und zur Polizeidienststelle. Er ist bei Verhören anwesend, gibt Lecoer und seinen Mitarbeitern Tipps und grübelt darüber nach, wer wohl Grund hat, eine alte Jungfer zu ermorden, die ein Haus in Vichy besaß, die Welt nicht wahrzunehmen schien und sich lila kleidete. Während Lecoer nach Motiven, Anhaltspunkten und Augenzeugen sucht, setzt sich Maigret mit der Welt der Dame in Lila auseinander.