Der Hobby-Detektiv

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Sein Freund und Arzt, Dr. Pardon, hatte Maigret die dringende Empfehlung gegeben, dringend Urlaub zu machen. Die Urlaubsplanung war verkorkst, eine Festlegung auf ein Urlaubsziel fand nicht statt. So schlug Maigret vor, dass sie den Urlaub doch in Paris verbringen sollten. Seine Madame wandte ein, dass er beim erstbesten Fall wieder seiner Brigade vorstehen würde. Nein, meinte Maigret. Er wäre diesmal nicht zu bewegen, ins Büro zu gehen. Er erzählte überall, dass sie im Urlaub nach Les Sables-d’Olonne fahren würden, er hinterließ eine entsprechende Nachsendeadresse und sah als Urlaubsplanungen folgende Aktivitäten vor: Schlafen, spätes Aufstehen, Mittagessen in einem kleinen Restaurant, Spaziergänge durch Paris, kulturelle Aktivitäten wie zum Beispiel Kinobesuche und abschließende Dinner in netten Restaurants. Mit solcherart gesetzten Vorzeichen konnte sich Madame Maigret einen Urlaub in Paris vorstellen.

So vernimmt er eines schönen Tages mitten in seinem Urlaub, dass man die Leiche einer Frau im Wandschrank einer Arztpraxis gefunden hätte. Abgesehen davon, dass der Aufenthalt in einem Wandschrank immer recht skuril ist und man sich dort nicht aufhalten sollte, sollte sich die Frau weder in dem Wandschrank noch in Paris aufhalten. Gedacht war eigentlich, dass sie in den Ferien am Mittelmeer zu sein hatte. Der Mann war noch am Ferienort und wusste nichts davon, dass sich seine Frau auf den Weg nach Paris gemacht hatte. Zugang zu den Räumlichkeiten, einer Arztpraxis, hatte nur das Ehepaar, die Reinemachefrau und der Vertreter des Arztes.

Die junge Frau des Arztes lag nicht nur tot in dem Wandschrank, sie war auch noch nackt. Eine zusätzliche Merkwürdigkeit, die Maigret sehr zu schaffen macht.

Maigret? Ja, Maigret. Maigret stürzte wie ein sensationslustiger Normalbürger zu den Zeitungskiosken und und war erpicht, die neuesten Informationen über den Fall zu bekommen. Das Problem: Sein Vertreter am Quai, Janvier, hatte sich entschieden, die Presse nur mit den notwendigsten Informationen zu versorgen. Eine schlechte Taktik, wie Maigret fand, der Janvier im Geiste einen Dummkopf schalt, und der Meinung war, dass man der Presse immer ein paar Brocken hinwerfen sollte, denn nur so könnte sie ruhiggestellt werden. Nun, aber er wollte sich nicht einmischen und unterließ so jeden Anruf bei seinem Vertreter. Klar, dass mit ausführlichen Informationen zu dem Fall nicht zu rechnen war.

Was ihn nicht davon abhielt, den Tatort zu besuchen. Madame Maigret musste daran glauben. Die täglichen Spaziergänge führten so nicht zu Sehenswürdigkeiten und netten Plätzen in Paris. Man betrachtete nun den Tatort am Boulevard Hausmann (ein Abstecher in die grand magasins wurde nicht erwähnt und fand wohl auch nicht statt). Bei dem Gedanken, diesmal auf der anderen Seite zu stehen, amüsierte sich Maigret köstlich. Seine Frau dagegen beobachtete ihren Maigret sehr kritisch, befürchtete sie doch darum, dass jeden Moment der Augenblick kommen könnte, an Maigret seinen Hut nehmen und zum Quai des Orfèvres aufbrechen könnte.

Stattdessen greift der Kommissar zum Telefon und erkundigt sich bei seinem besten Freund, wie es um die beiden Hauptverdächtigen steht und ob er auch die Ermordete kennen würde. Dr. Pardon reagiert erst etwas verschnupft, schließlich hatte er seinen Patienten in den Urlaub geschickt, damit dieser sich erholt. Aber Maigret kann deutlich machen, dass es sich um Erholung handeln würde, und er die Lösung des Falles als so etwas Ähnliches betrachtet wie das Lösen eines Kreuzworträtsels. Trotzdem sieht sich Maigret genötigt, seinem Doktor die Würmer aus der Nase zu ziehen, Pardon sagt es, wie es ist: Ärzte halten zusammen und hacken sich nicht gegenseitig die Augen aus. Sprich: Die gegebenen Informationen sollten vertraulich bleiben.

Nach den Auskünften, die Pardon für Maigret eingeholt hatte, wäre das Eheleben von Dr. Jave und seiner Frau sehr vertraut gewesen. Er hätte nie festgestellt, dass es etwas zu beanstanden gegeben hätte. Es hätte ein gewisser Altersunterschied zwischen dem Paar bestanden und durch die Heirat war Dr. Jave ein reicher Mann geworden, der seine Vorort-Praxis aufgeben konnte und sich am Boulevard Hausmann niederlassen konnte. Er war zu einem Modearzt geworden, der von den Wohlhabenden gern konsultiert wurde. Über seine Frau konnte man nicht viel sagen.

Ebenso unverdächtig war Dr. Négrel: Der Arzt hatte zum ersten Mal in seinem Leben eine Vertretung übernommen. Eigentlich war er Assistent eines bekannten Pariser Professors und hatte sich schon fast der Forschung verschrieben. Hin und wieder war der Mann, der mit der Tochter eines Rechtsanwaltes verlobt war, bei der Familie Jave zum Dinner eingeladen worden. So hatten Arzt und Vertreter zusammengefunden.

Maigret, der vieles nicht wusste und zu anderen Punkten Exklusiv-Informationen hatte, fing an ungeduldig zu werden. Gegenüber dem Normalbürger, der mit ihm interessiert verfolgte, was die Zeitungen schrieben, kannte er die Mechanismen von Polizei und Presse. Wer wusste schon, dass die Polizei Tippgeber ernst nahm und jeden Hinweis zumindest auf Plausibilität untersuchte. Die Presse stürzte sich auch gern auf Krümelchen und Ungereimtheiten. So beginnt der Kommissar als anonymer Briefeschreiber seine Kollegen auf Trab zu bringen und entwickelt sich zu einem erfolgreichen Tippgeber der Presse.

Dabei hat er sein Vergnügen. Madame Maigret ist froh, dass ihr Mann Beschäftigung hat, denn die langen Spaziergägnge gingen ihr ganz ordentlich auf die Füße. Es gibt einige Fälle, in denen Maigret nicht auf den Polizeiapparat zurückgreifen kann, sei es, bei Urlaubsreisen oder im Ausland, aber dieses einmal könnte er, darf und möchte es aber nicht. Dabei fängt er an zu manipulieren und das ist nicht nur für den Kommissar sehr amüsant, auch der Leser dürfte sich bei diesem Roman bestens unterhalten fühlen.