Über die Story

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Ein Roman, der in Muße geschrieben wurde. So urteilt Simenon über diesen Roman und hofft, dass die Kritiker ihn an diesem Roman messen und nicht an dem, was er vorher produziert hat. Eines vorneweg: Es ist wie Tucholsky sagte, dass in den Romanen von Simenon eigentlich nicht viel passiert. Trotzdem kann man sie nicht weglegen, muss weiterlesen. »Die Marie vom Hafen« fällt eindeutig in diese Kategorie. Das Leben spielt sich in Bistros ab, gemächlich. Einer kommt herein, klönt ein bisschen mit den Anwesenden. Irgendwann verlässt jemand die Runde, es kommen aber zwei, drei andere hinzu und berichten, was sie gerade draußen erlebt haben. Nichtigkeiten meist, die aber so beschäftigen, dass sie die kleinen Dramen, die sich um sie herum abspielen, gar nicht mitbekommen. So ein Roman ist das.

Port-en-Bessin, ein kleiner Ort an der Küste in der Normandie, hat zwei Rückschläge zu verkraften. Der Vater von Marie Le Flem war gestorben, ein schwerer Rückschlag, wo doch noch drei Kinder im Hause waren, die nicht die Reife wie Marie besaßen. Es war klar, dass sie nicht die Aufzucht der kleinen Brut übernehmen konnte. Man sammelte für sie und das ganze Dorf war auf den Beinen, als der alte Jules zu Grabe getragen wurde. Man zerriss sich das Maul über die ältere Schwester Maries, Odile, die mit ihrem Liebhaber aus Cherbourg gekommen war. Am selben Tag wird gegen zwei Uhr ein Schiff versteigert. Die »Jeanne« vom alten Viau, der noch gar nicht so alt war, aber auf den Namen Marcel hörte, genau wie sein Sohn, der im Ort dafür bekannt war, dass er mit der Marie vom alten Jules hinter dem alten Zollhäuschen rumknutschte. Es war ein ordentliches Schiff, nur war ein Mast gebrochen, und die Familie hatte kein Geld, um es reparieren zu lassen, denn sie hatten eine stattliche Anzahl von Rückschlägen hinnehmen müssen. Dem Fischer bricht es das Herz, ansehen zu müssen, wie sein Kutter versteigert werden soll. Denn da ist das nächste Problem: keiner will ein Schiff haben, dass den Ruch von Unglück an sich haften hat. Bis auf einen: Chatelard.

Dieser nun ist niemand anders als der Liebhaber von Odile und hat sich während seines Aufenthalts am Ort in keine Geringe als in Marie, die Schwester verliebt. Er will es natürlich nicht zugeben, denn das würde sein Männerbild sehr beschädigen, aber die Anzeichen sind nicht anders zu deuten. Odile ist ein faules Mädchen, so sehr von der Bequemlichkeit abhängig, dass es scheint, dass sie mit dem Denken aufgehört hat. Hätte es nicht sonst das merkwürdige Verhalten ihres Liebhabers bemerkt?

Marie lässt sich nicht von Chatelard beeindrucken. Da kann er Tag für Tag von Cherbourg nach Port-en-Bessin kommen und sein Schiff besteigen, was er neu herrichten und im Anschluss den großen Seemann im »Café de la Marine« heraushängen lässt, dem Bistro, in dem Marie seit dem Tod ihres Vaters arbeitet. Der Mann scheint geduldig, spielt mit dem Mädchen und merkt gar nicht, wie er immer mehr Spielball von Marie wird. Diese hält den Mann geschickt auf Distanz: sie lässt sich von ihm nicht duzen, weist ihn auf ungehöriges Verhalten zurück und reizt ihn durch Nichtbeachtung.

So darf sich der zukünftige große Held der Meere fragen, was es mit dem Viau jr. auf sich hat, der eines Tages im Bistro steht und verlangt, dass Marie mit ihm spricht. Die denkt gar nicht daran. Der alte Viau sieht es aber gar nicht gern, dass sein Sohn in der Kneipe aufgetaucht ist und bittet, nein, befiehlt ihm, umgehend zu verschwinden. Marcel denkt gar nicht daran: er muss erst mit Marie sprechen. Dieses Duell geht mit 2:0 an den Vater, denn zum einen hat er bewiesen, dass er mit seinen Seemannskräften immer noch in der Lage ist, seinen Sohn auf die Straße zu befördern, auf der dann Marcel auch wie ein begossener Pudel liegt, und zum anderen, gab es noch Extra-Punkte von den Stammgästen, die dieses Spektakel mit großem Interesse verfolgten.

Chatelard hat die Szene nicht geholfen: er weiß nicht, ob der gute Junge nun der Geliebte seiner Angebeteten ist, und darf noch mehr Zweifeln, als Marie kurze Zeit später im Dunkeln verschwindet.