Über die Story

Scheinbar Aurore Gallet mochte es Maigret nicht glauben: Ihr Mann sollte in Sancerre umgebracht worden sein. Ihr erster Reflex war, zu sagen, dass sie nicht sein kann, denn ihr Mann würde in der Normandie für die Firma Niel & Co. arbeiten (seit vielen, vielen Jahren) und gerade war eine Ansichtskarte von ihm aus Rouen eingetroffen. Maigret wäre es auch viel lieber gewesen, wenn der Mann nicht gestorben wäre, denn so musste er sich in der Juni-Hitze aus Paris fortbewegen – wo die Kriminalpolizei doch unterbesetzt war. Nach dem Kennenlernen der Frau wäre es Maigret sogar hundert mal lieber, der Mann hätte sich nicht ermorden lassen: Madame Gallet war ihm sehr unsympathisch.

Sancerre Emile Gallet war häufiger in Sancerre gewesen und stieg dort im Hôtel de la Loire ab. Man kannte ihn an Ort und Stelle nur nicht unter dem Namen Gallet. Er schien nicht Besteck zu verkaufen, wie seine Frau vermutete. Die Identifizierung entwickelt sich dramatisch, denn Aurore Gallet warf sich über ihren Mann, der mit einem zerschossenem Gesicht in einem Flügel der Schule lag und auf seine Obduktion »wartete«. Man hatte Mühe die kräftige Frau von ihrem Mann wegzuzerren.

Streit auf der Strasse Gallet war häufiger in Sancerre gewesen und Maigret versuchte herauszubekommen, was den Mann in diesen Ort gezogen hatte. Ein Wegemacher erzählt dem Kommissar, wie er beobachtet hat, dass sich der Mann mit einem Unbekannten gestritten hat. Der Unbekannte war jung gewesen und er hätte ihn noch nie gesehen. Groß, schmal, schmächtig.

Streit im Garten Noch ein Streit hatte es gegeben. Madame Canut berichtete Maigret gegen eine ordentliche Belohnung, sie hätte Gallet bei ihrem Herren im Schloss beobachtet und zumindest einmal hätten sie sich gehörig gestritten. Der Herr war ein gewisser Tiburce de Saint-Hilaire, der ein Schloss am Ortsende besaß (das kleine Schlösschen wie die Einwohner von Sancerre sagten) und eine staatliche Anzahl von Weinfeldern in der näheren Umgebung bewirtschaftete.

Treffen Mit beiden Männern sollte der Kommissar bald näheren Kontakt haben. Der Mann, mit dem sich Gallet auf offener Straße stritt, so ist sich der Kommissar sicher, ist sein eigener Sohn. Unklar war, ob Henry Gallet seinem Vater in den Ort hinterhergereist war oder ob die Begegnung zufälliger Natur war. Aus dem jungen Mann, der wie die Mutter unsympathischer Natur war (und in Maigret ein Bedauern für den Verstorbenen aufkommen ließ), ist weniger herauszubekommen. Mit der Schweigsamkeit, die der Sohn an den Tag legte, konnte der Adlige aus Sancerre wenig anfangen: Bereitwillig erzählt er alles, was er über Emile Gallet wusste.

Quelle Der Handlungsreisende wäre zu ihm gekommen, und hätte um Geld gebeten. Saint-Hilaire deckt dem Kommissar, die Einkommensquelle Gallets auf. Der tourte Jahr um Jahr durch Frankreich und besuchte Adlige, um sie um Geld anzugeben. Die Affinität durch den Adel entstand durch Gallets Heirat. Aurore war die Tochter von Auguste Préjean, dem Sekretär des letzten Prinzen von Bourbon. Später war der Vater von Aurore Chefredakteur einer royalistischen Zeitschrift Le Soleil, der er aus eigener Tasche finanzierte. Nach dem Tod des Herausgebers fielen die Unterlagen in die Hände seines Schwiegersohnes, der die Abonnenten aufsuchte, und sie um Spenden für verarmte oder andere bedürftige adlige Leidensgenossen anging – das Geld floss aber dem Fonds für die Unterstützung der Familie Emile Gallet zu. Offenbar waren die Erlöse ergiebig, denn die Gallets leisteten sich eine mittelmäßige Villa in Saint-Fargeau (etwas fünfzig Kilometer von Paris entfernt).

Die Witwe Maigret pendelte zwischen Sancerre, Saint-Fargeau und Paris. Es war schwierig sich ein Bild zu machen, wie Gallet gelebt hat. Und manchmal wartete hinter einer Ecke eine faustdicke Überraschung: In Sancerre war dies Eléonore Boursang, die sich Maigret vorstellte. Bereitwillig erzählte sie dem Kommissar, dass sie nach dem Unfalltod ihres Gatten die Geliebte und Lebensgefährtin von Henry Gallet geworden sei und erwähnte, dass dies die Eltern von Henry Gallet nicht wussten, da dass Paar Komplikationen befürchtete. Die dreißigjährige Frau war sehr viel gesprächiger als ihr Freund. Sie verlebte ihre Urlaub in Sancerre und Henry hätte sie tageweise besucht. Als sie Monsieur Gallet im Ort entdeckten, glaubte Henry Gallet, dass sein Vater ihn verfolgen würde und geriet außer sich. Sie schwört, dass ihr Geliebter nichts mit dem Mord an dem Vater zu tun hätte.

Fassade Gallet hatte sich perfekt getarnt: Seine Frau war der Meinung, er sei in der Normandie unterwegs und verkaufe sein Besteck. Regelmäßig bekam sie Ansichtskarten aus Rouen (Gallet hatte eine Hotelangestellte engagiert, die vorgeschriebene Postkarten an Gallets Frau sendete) und erstellte peinlich genaue Abrechnungen der Firma Niel & Co. Seine Frau hatte nie einen Verdacht.

Auftritt Moers Im Ofen Gallets Hotelzimmer hatte man Asche gefunden. Moers wurde von Maigret nach Sancerre beordert und soll dort in der Asche wühlen, in der Hoffnung, dass sich aus den nicht vollständig verbrannten Papieren einige Informationen gewinnen lassen. Eine Fummelarbeit, die dem Flamen sehr lag, während Maigret ungeduldig durch den Ort streifte, auf der Suche nach neuen Anhaltspunkten. Für Moers gibt es Höhepunkte und Tiefschläge: Ein Höhepunkt war sicher die Erkenntnis, dass Gallet Briefe von einem Jacob bekam und mit diesen Briefen bestimmte Forderungen verbunden waren. Ein Tiefschlag und eine neue völlig neue Erkenntnis war ein Schuss auf Moers, der in seinem Leben schon viel untersucht, auch Angelegenheiten, die mit Waffen zusammenhingen, aber noch nie einen Schuss gehört hatte. Die neue Erkenntnis machte es ihm vielleicht leichter, das Stück Ohr, das er verlor, zu verkraften.