Simenon und seine Verleger


Es versteht sich, dass ein Verleger und sein Autor in Kontakt bleiben müssen. Dieser Kontakt wird manchmal auf persönlicher Ebene gepflegt, häufig auf brieflicher und manchmal erfolgt so ein Kontakt auch nur über den Lektor. Das kommt wohl immer auf das Licht an, welches von dem Autoren verstrahlt wird. Wenn man sich die enorme Produktion von Simenon anschaut, dann kann man sich leicht denken, dass seinen Verlegern daran gelegen war, dass der Autor das Gefühl hatte, man kümmere sich um ihn. Es ist bekannt, dass Simenon kein leichter Verhandlungspartner war. Fayard durfte das feststellen, als ihm Simenon die Maigrets auf’s Auge drückte, obwohl der Verleger nicht an den Erfolg der Werke glaubte (und sich damit allerdings irrte); Gallimard unterschätzte Simenon in Vertragshinsicht und wunderte sich, dass Simenon eines Tages zu einem jungen Verlag zog, und hier in Deutschland war es auch nicht viel anders, wenn man die Angelegenheit ins Licht rückt. Simenon schrieb zwar einmal, dass er sich nicht viel aus Geld machen würde. Seine Verhandlungsgeschick was Verträge anging und die entsprechende Energie, die daran gesetzt wurde, sprechen aber eine ganz andere Sprache.

Nicht nur, dass sich Simenon über seine Verleger beschwerte (über Daniel Keel zum Beispiel: »Sie sind nicht nur von meinen zahlreichen Velegern derjenige, von dem ich am wenigsten Briefe besitze, selbst Ihre Telefonanrufe kommen zumeist nicht aus Ihrem Büro, sondern von den verschiedensten Orten.«), er pflegte bei Vertragsverhandlungen nicht klein bei zugeben: für »Intime Memoiren« gab es einen so hohen Vorschuss, der durch die niedrigen Verkaufszahlen der gebundenen Auflage nie eingespielt wurde.

Aber nicht nur der Diogenes-Verleger hatte zu klagen, auch Joseph Caspar Witsch war nicht sehr glücklich, was seinen Vertrag mit Georges Simenon anging. Witsch, der sich selbst als Simenon-Fan bezeichnete, schrieb einen Brief an Simenon, der in dem Band »Briefe 1948-1967« veröffentlicht wurde. In diesem Brief vom 25. März 1965 bedankte er sich für die freundliche Aufnahme in Simenons Haus in Epalinges und über die konstruktiven Verhandlungen mit Simenon. Er betont in dem Brief, dass es ihm aber nicht erlaubt ist, nur als Simenon-Liebhaber zu handeln, sondern, dass er auch als Geschäftsmann agieren muss. So muss er feststellen:

Es ist mir nicht leichtgefallen, mich daran zu gewöhnen, dass es neb en dem Urheberrecht, dem Urhebervertragsrecht, das die Verhältnisse zwischen einem normalen Autor und einem normalen Verlag in allen Ländern, die der Berner Konvention beigetreten sind, regelt, eine Art unkodifizierter »Lex Simenon« gibt, sozusagen ein Urheberrecht von Simenon erfunden und mit größerer Energie verfochten, als die Berner Konvention in irgendeinem Land je verteidigt worden ist.

Witsch führt dazu aus, dass es ein Unikum darstellt, dass Simenon die Rechte an seinem Werk nur für zehn Jahre vergeben würde (und nicht für fünfzig, wie es eigentlich üblich wäre), und dass nach Ablauf der zehn Jahre die Rechte wieder an den Autoren zurückfallen würden. Aber nicht nur dies ist für Witsch ein Ärgernis: Simenon bedingt sich aus, dass es hohe Startauflagen gibt und Honorare auf jeden Fall an den Autor zu fließen haben. Der Erfolg ist nicht unbedingt wichtig, wichtig ist das Geld das an den Autoren fließt. Witsch dazu:

Die Lex Simenon befreit den Atuor von der Erfolgsvermutung, die zu haben sozusagen Existenzgesetz eines jeden Autors ist, und setzt an deren Stelle die vertragliche Gewissheit des Erfolgs.

Heißt, egal was er produzierte, der finanzielle Erfolg war Simenon gewiss. Wenn man sich manches Buch des Meisters anschaut, weiß man auch, warum er es geschrieben hat. Inspiration war es nicht unbedingt gewesen, vermutlich er der Gedanke, dass es schön wäre, wenn die Kasse sich weiterhin gut füllen würde. Witsch stöhnt auch deshalb in dem Brief besonders laut, weil er Deutschland für ein sehr schwieriges Land für die Simenonschen Text hält. Leider begründet er gegenüber Simenon nicht, woran er diese Tatsache fest macht. Allerdings führt er in etwas humoristischen Tonfall aus, dass er sich keine Sorgen machen müsste, was die Versorgung der deutschsprachigen Bevölkerung mit Simenon-Titeln angeht. Die Lager wäre aufgrund der hohen Startauflagen gut gefüllt. »Die Glocken von Bicêtre« werden als ein Beispiel angebracht, bei denen die Startauflage weit hinter den Verkaufserwartungen zurückgeblieben ist. Witsch kündigte selbiges auch für den darauffolgenden »Hit« von Simenon – »Der kleine Heilige« an:

So wird es auch mit dem neuen Buch, mit dem Kleinen Heiligen werden, das wir mit großer Bewunderung gelesen haben und das wir sicher machen werden, obwohl ich Ihnen jetzt schon vorrechnen könnte, was dieses Buch mit an Zuschüssen kosten wird. Die natürliche Reaktion hierauf wäre, rein kommerziell, dass man ein solches Buch dann sein ließe.

Man muss schon schmunzeln, wenn man den Brief von Witsch ließ, der in dem Brief darauf hofft, dass es eine Stunde geben möge, in der Simenon der Rührung anheim fallen könne, denn es gäbe da einige Punkte in den Verträgen, von denen sich Witsch vorstellen konnte, dass man sie gnädiger gestalten kann. Dabei ging es vor allem um Buchgemeinschaftshonorare und anderen Verwertungen. Witsch nennt es eine Eigentümlichkeit, der normale Betrachter der Verlagsszene schüttelt einfach nur mit dem Kopf: es war, wenn man dem Brief von Witsch an Simenon glauben schenkt, nach der lex Simenon so, dass der Verlag Kiepenheuer & Witsch nicht das Recht miterwarb, die Bücher als Taschenbücher herauszugeben. Wie die Angelegenheit auch ausgeht, Witsch versichert Simenon:

Aber ich wiederhole, was ich gesagt habe: auch wenn sich nichts ändert, bleibe ich Ihr anhänglicher, Ihr Ihnen sehr ergebener Verleger in Deutschland, dem dann bei anhaltender des Autors nicht anderes übrigbleibt, als darüber nachzudenken, welche Art von Gütter ihm nun beistehen sollten.

Dem Briefwechsel von Joseph Caspar Witsch ist übrigens auch zu entnehmen, dass Heinrich Böll bei seinem Verleger nachfragte, ob er ihm nicht ein paar Simenons nach Irland senden könnte…