Die Unruhe
Im Sommer führte ich ein längeres Gespräch mit Daniel Kampa. Im Laufe des Gesprächs erwähnte er, dass er plane, auch die Simenon-Liebhaber immer wieder zu überraschen. Einerseits durch Ausgaben im Retro-Look, andererseits durch Werke, die bisher im deutschen Sprachraum nicht publiziert worden sind. Mit dem ersten Programm ist dem Kampa Verlag das gut gelungen, nun gibt es Aussichten auf das Frühjahr.
Während aus Zürich noch nicht so viel zu hören ist, haben die Audio-Kollegen in Berlin schon preisgegeben, womit man im Frühjahr rechnen kann. Diese interessante Konstellation hatten wir schon im Frühjahr gehabt und erlaubt einen Blick auf das, was an Maigrets auch bei Kampa erscheinen wird und man bekommt eine Ahnung, welche Non-Maigret-Titel dabei sein können. Da nicht alle Non-Maigret-Romane als Hörbücher produziert werden, bleibt die Spannung da noch erhalten. In welcher Form die Maigrets erscheinen werden, ist damit natürlich auch noch nicht gesagt.
Nochmal Kees
Auf fünf CDs liest uns Christian Berkel im Frühjahr den Roman »Der Mann, der den Zügen nachsah« vor. In der Geschichte geht es um Kees Popinga, der mit seinem alten Leben bricht, alles stehen und liegen lässt - er erlebt das Abenteuer seines Lebens. Da wir es hier mit einem Roman von Simenon zu tun haben, ist schnell klar, dass nicht mit ausgelassener Fröhlichkeit zu rechnen ist, sondern Kees Popinga bald jede Menge Probleme hat, die es zu meistern gilt. Diese spannende Geschichte hat Christian Berkel so gut gefallen, dass er sie unbedingt lesen wollte und es dürfte sehr selten vorkommen, dass ein Schauspieler sowohl an einer Hörspiel-Produktion mitwirkt wie auch an einer Hörbuch-Produktion.
Nochmal Benelux
Auch die zweite Geschichte spielt im Benelux-Raum. In »Der Bürgermeister von Furnes« geht es um den Terlinck, einen mächtigen Mann aus einem kleinen Städtchen. Er führt eine Fabrik und spielt eine große Rolle im politischen Leben der Stadt. Als ihm einer seiner Arbeiter um einen Vorschuss bittet und der Bürgermeister dessen Grund erfährt, lehnt nicht etwa ab, weil er es ethisch nicht für geboten hält, sondern weil er einen politischen Vorteil wittert. Die katastrophalen Folgen nimmt er dabei in Kauf. Eine Bösewicht, wie er im Buche steht, kann man sagen oder: Man bekommt es demnächst auf fünf CDs vorgelesen. Bei dem Vorleser handelt es sich um Gerd Wameling, der in den Neunzigern durch »Wolffs Revier« bekannt geworden ist. Wenn man seine Vita liest, bekommt man den Eindruck, dass sein Hauptaugenmerk auf dem Unterrichten von Schauspiel-Schülern liegt - seit 1981 unterrichtete Gerd Wameling in Berlin und Salzburg, in Berlin ist er seit 2005 als Professor an der Universität der Künste tätig. Bisher gab es weder Hörspiele noch Hörbücher von diesem Roman, so dass wir es mit einer Premiere auf dem Hör-Markt zu tun haben.
Die große Überraschung
Bei einem Schnack dieser Tage gab es schon Andeutungen, dass etwas Unerhörtes passieren würde: Ein neuer Maigret, ein Werk aus dem Nachlass. Mehr wurde mir noch nicht gesagt, aber die Webseite des Audio Verlages gibt ein wenig Auskunft. Er wird unter dem Namen »Maigret im Haus der Unruhe« heißen. Nach der Kurzbeschreibung geht es darum, dass in Maigrets Büro eine Dame erscheint, die einen Mord gesteht. Maigret lässt die Dame kurz allein, als er wiederkommt, ist sie verschwunden. Nun geht die Suche los, denn Maigret nimmt an, dass an dem Geständnis etwas dran ist. Die Polizei findet die Dame in einem Vorort wieder, aber alle in dem Haus, in dem sie wohnt, sind verängstigt, unruhig und alle haben etwas zu verbergen. Der Grund: Ein Mitbewohner wurde ermordet.
Soviel Inhaltsangabe habe ich entdecken können. Unruhig war man nun nicht nur in diesem Haus in Montreuil, sondern man ist es auch im Hause maigret.de. Fragen werden durch diesen Coup aufgeworfen: Wie lautet der Originaltitel? Wann ist der Roman entstanden? Warum erscheint er erst jetzt? Gehört der Roman nun zum regulären Maigret-Canon?
Das wird zu klären sein.
Retro
Der Retro-Titel dieses Programms wird »Maigret und der Mann auf der Straße«. Hier handelt es sich wie beim ersten Retro-Titel um eine Erzählung. Ich hoffe ehrlich, dass man jetzt nicht jede Maigret-Erzählung umbenennt. Es könnte ein wenig komisch werden, wenn man eines Tages von »Maigret und der Wachstropfen« liest. Vielleicht ist dies nur eine Maßnahme für die Hörbücher, um transparent zu machen, dass es sich um einen Maigret-Titel handelt. Für diesen Fall, in der die Erzählung eine gewisse Länge hat und als eigenes Werk erscheint, kann ich es nachvollziehen.
Die Erzählung, die ich vor nicht allzu langer Zeit gelesen habe, ist wirklich ein Klassiker, der einen Schriftsteller-Kollegen von Simenon - Gabriel García Márquez - zu einer langwierigen Suche veranlasste, die wiederum von Márquez in einem Essay verarbeitet wurde: »Dieselbe Geschichte, nur anders«.
Auf dem Cover ist es nicht weiter vermerkt, aber es finden sich noch zwei weitere Erzählungen in dieser Box:
- Maigret und die Affäre vom Boulevard Beaumarchais
- Maigret in der Rue Pigalle
Und die anderen...
- Maigret und Pietr der Lette
- Maigret und die Keller des Majestic
- Maigret und Inspektor Griesgram
- Maigret und der Treidler der Providence
- Maigret und der Weinhändler
- Maigret und der Messerstecher
- Maigret in der Liberty Bar
- Maigret und die Tänzerin
- Maigret amüsiert sich
- Madame Maigrets Liebhaber
- Maigret und Stan der Killer
- Maigret und die Aussage des Ministranten
Bei den letzten drei Titeln handelt es sich um Erzählungen, es sieht also danach aus, als ob es einen Erzählband im Frühjahr geben wird. Ob damit jetzt Umbenennungen verbunden sind, wird sich gewiss dem Kampa-Programm entnehmen lassen.