Unterschrift

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Wiederum beginne ich mit einem kleinen Nachtrag. Simenon konnte sich nicht mehr an den Namen seiner neuen Sekretärin erinnern und nennt sie in dem Buch deshalb Odette. Ist eigentlich bekannt, ob sich Odette im Nachgang dieser Memoiren bei Simenon gemeldet hat, um noch einmal ihren Namen Preis zu geben? Wäre ein netter Zug, der Neuauflagen der »Intimen Memoiren« sicher gut gestanden hätte.

Ich finde einige Erinnerungslücken und Auslassungen Simenons recht beachtlich. Ich kann es noch verstehen, dass er G7 und damit La Folle d’Itteville nicht weiter erwähnt – obwohl er mit diesem Foto-Roman gemeinsam mit Germaine Krull ein neues Genre hätte begründen können. (Ganz nebenbei frage ich mich, ob er sich bei »Chez Krull« von Germaines Familiennamen hat inspirieren lassen. Es ist schließlich kein langläufiger Name in deutschen Landen.) Erwähnte er es deshalb nicht, weil es ein kommerzieller Misserfolg war?

Noch interessanter fand ich, dass ich kein einziges Wort darüber gefunden habe, dass die Forces Françaises de l’Interieur nach ihm suchten und er in Sables auch unter Arrest stand. Kein einziges Wort verliert Simenon darüber, dass er verdächtigt war, mit den Deutschen kollaboriert zu haben – auch nicht als Verteidigung. Kein Wort darüber, dass er sich ernsthafte Sorgen zu machen hatte, ob er weiter Bücher veröffentlichen durfte. Das waren doch existentielle Fragen, die sich für ihn in der Zeit gestellt haben dürften. (Schließlich hatte er nicht vergessen, dass das »Fräulein Doktor« nach ihm gesucht hatte.)

Nein, er fährt mit einer Sekretärin, deren Namen er später vergessen sollte, im Frühling nach Paris und sein Plan ist, irgendwie aus Frankreich herauszukommen.

In Paris

Dieses Kapitel beschreibt das Wiedersehen von Simenon mit dem »Who is Who« von Frankreich: Gabin und Marlene Dietrich hatten wir schon. Er läuft Raimu über den Weg, den er als alten Freund bezeichnet, und er erinnert sich, dass Raimu ihn anzählt, weil Simenon ihn nicht zum Paten seines Erstgeborenen gemacht hatte, was er eigentlich versprochen hatte. (Raimu ist übrigens ein damals hochverehrter Schauspieler, der knapp anderthalb Jahre nach dem Wiedersehen schon sterben sollte, nachdem er aufgrund eines Autounfalls operiert werden musste. Er spielte in den Simenon-Verfilmungen »Monsieur La Souris« und in »Fremd im eigenen Haus« die Hauptrollen.)

Eigentlich ist Simenon wer, andererseits auch wieder nicht. Für seine Unterkunft im Claridge benötigt er einen Genehmigung. Dabei muss Simenon lernen, dass er nicht zu den Menschen gehört, die bevorzugt behandelt werden. So darf er dort zwar wohnen, aber kurz darauf wird er innerhalb des Hotels auch wieder umquartiert, da bedeutsamere Leute ins Hotel kamen. Letztlich zog es ihn wieder an einen Ort, den der geneigte Leser automatisch mit Simenon und Maigret verbindet: den Place des Vosges. Er konnte wieder sein altes Appartement beziehen, da sein Nachfolger, mit dem Simenon befreundet war, nicht in Paris weilte.

Odette traf ihren Vater wieder, der aus der Kriegsgefangenschaft wiederkehrte, und plante mit ihm alsbald zurück nach Sables-d’Olonne zu gehen. Simenon brauchte eine neue Sekretärin und da traf es sich gut, dass er eine Frau, die ihm schon im belgischen Flüchtlingslager in La Rochelle helfend zur Seite stand, nun in Paris erneut traf und sie war sofort engagiert.

Auf dem Weg

Über einen Sonderauftrag kam Simenon in den Genuss eines Visa für die Vereinigten Staaten und Kanada. Ein Visum für Frau und Kind würde sich auch organisieren lassen.

»Ich werde Ihnen einen Sonderauftrag erteilen lassen.«
»Was für einen Auftrag?«
»Den, den sie möchten… Von der französischen Kultur sprechen. Oder gar nichts, wenn sie das vorziehen.«

Das Leben kann so einfach sein, nicht wahr? Aber auch jemand wie Simenon hat natürlich so seine Probleme: Tigy will partout nicht, dass Boule mitkommt. Sie hat offenbar immer noch gewisse Vorbehalte. Simenon gibt nach, verspricht Boule aber, dass er sie so bald als möglich nachholt. Man möchte wie Louis de Funès die Arme hochreißen und einen dieser unvergesslichen Laute von sich geben. Immer im Hinterkopf, dass Simenon nicht verlegen darum ist, seine persönliche Beziehugnskonstellation noch komplizierter zu gestalten.

Es geht nach London, dort ein ewiges Warten auf die Tickets, die eine Schiffspassage nach Amerika erlauben. Schließlich ist es soweit und Simenon schifft sich mit seiner Familie in Southampton ein. Er schreibt hier von einem schwedischen Dampfer, allerdings hat er in seiner Reportage »Am Krankenbett der Welt« von einem dänischen Frachter mit dem Namen Lalandia gesprochen und ein solches Schiff fuhr auch für den Pool (United Maritime Authority), von dem Simenon sprach*.

Zwölf Tage später waren sie in New York.

* Aus der Reportage: »Die “Lallandia” ist ein dänisches Schiff, und nach skandinavischen Brauch ist ein großer Tisch gedeckt und derart mit Leckerbissen aller Art überhäuft, dass einem schwindlig werden kann.« (Quelle: http://www.mariners-l.co.uk/eac/eac1920-1929.htm)