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Von Äpfeln und Birnen
Die Überraschung war groß, als ich feststellte, dass ich zu der Maigret-Verfilmung »Maigret und sein größter Fall« weder Pressefotos noch Filmhefte im Besitz hatte. Nun fiel mir im ein Heft aus dem Progress-Filmvertrieb in die Hände. Bei dem handelt es sich um eine Firma, die seit 1950 in der DDR wirkte und die dortigen Kinos mit Material versorgte. Und Überraschung: Die Firma gibt es noch.
Das ist aber gar nicht das Thema: Beim Lesen der Beschreibung des Films hat man zuerst das Gefühl, dass den Lesern erst einmal der Pariser Kommissar näher gebracht wird. Aus der Perspektive von Progress ergab das sicher Sinn. Schließlich gab es bis dato keine Buch-Veröffentlichungen mit Geschichten des Kommissars in der DDR (die kamen erst viel später) und darauf zu bauen, dass die Bürger der DDR fleißig die Rupert-Davies-Verfilmungen im ZDF schauen, konnten die Film-Vertriebler auch nicht.
Also bekamen die Zuschauer in dem Filmheft eine Charakterisierung an die Hand, die es ihnen möglich machten, den französischen Kommissar besser einzuordnen:
Er schlägt nicht gleich zu, sondern denkt erst nach. Er raucht seine Pfeife und bleibt selbst unauffällig. In Gesprächen, nach den Recherchen seiner Inspektoren und in scheinbar harmlosen Verhören durchleuchtet er die Bedingungen, unter denen das Verbrechen geschah, rekonstruiert er die Ereignisse. Er interessiert sich für die Menschen, die in der Bannmeile seines Falles leben.
Das klingt genauso wenig unsympathisch, wie die Feststellung innerhalb der Beschreibung, dass dem Kommissar zuzutrauen wäre, dass er mit seinen Verdächtigen einen trinken geht. Er scheint ein Mensch zu sein. Allerdings war er ja Franzose und damit ein Westeuropäer, also jemand aus dem kapitalistischen Ausland, deshalb gibt es natürlich Einschränkungen, die man unbedingt erwähnen musste. So ist zu lesen:
In der westeuropäischen Kriminalliteratur stellt die Figur des Pariser Polizisten eine Ausnahme dar. Trotz aller - konstruierten - Uberlegenheit ist Jules Maigret menschlich sympathisch und liebenswert. Bei der Verfolgung der großen und kleinen Gauner vertritt er humanistische Prinzipien. Ihn trennen Welten von dem berüchtigten James Bond.
Natürlich trennen ihn Welten von einem James Bond. Schließlich handelte es sich bei Maigret um einen Kriminalisten wie Oberleutnant Wernicke aus der Serie »Blaulicht«. Das hätte den Leutchen im Filmvertrieb schon klar sein können, dass man da Sachen miteinander verglich, die gar nicht zu vergleichen waren.
Normalerweise wäre niemand auf den Trichter gekommen, den Kommissar mit einem Geheimagenten zu vergleichen – zumal noch mit einem, der aus Großbritannien stammte. Da muss schon jemand den Auftrag bekommen haben, den Bond doch nach mal zu erwähnen und auch den Maigret nicht über den Klee zu loben.
Eine Filmbeschreibung erwartet, bekommt man eine kleine Lektion in Sachen DDR-Duktus – das wirkt unfreiwillig komisch, zumal es sehr überraschend kam.
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