Fragt Maigret nach der DNA?


So eine Buchmesse ist eine gute Gelegenheit, Pressemitteilungen unter die Leute zu bringen. Auch, um zu zeigen: Hey, wir sind noch da! Vielleicht ergibt sich daraus das eine oder andere Gespräch an den Ständen und damit neues Business. Die Meldung, um die es hier geht, lenkt den Blick hinter die Kulissen und gibt einen kleinen Ausblick auf das Kommende.

Vor fünf Jahren schickte ich an die Mitarbeiter von Peters, Fraser + Dunlop eine Anfrage, wie es mit den Rechten im deutschsprachigen Raum weitergehen würde. Schließlich war bekanntgeworden, dass Diogenes die Rechte verloren hatte. Die Nachricht, dass Daniel Kampa diese übernehmen würde, aber nicht. Ich war optimistisch, dass ich eine Antwort erhalten würde. Dem war nicht so. Ich verlor die Agentur aus den Augen, da sie für mich und meine Informationsbeschaffung offenbar nicht hilfreich war. (Über die Unhöflichkeit, nicht zu antworten, mag ich mich gar nicht mehr aufregen. Das gehört offenbar zum Stil in dieser Branche.)

Die Antworten auf die Fragen sollten wir drei Monate später bekommen.

Hilary Strong hatte sich einen Namen als Verwalterin des literarischen Nachlasses von Agatha Christie gemacht. Sie arbeitete im Anschluss für eine Agentur namens Anthology Group. Zwischen der Meldung, dass ihre Rolle bei Agatha Christie die einer “Ehemaligen” wäre und der Meldung, dass sie sich (mit der zuvor erwähnten Agentur) mit drei Agenten Scott Hoffmann, Ted Green und Bob Benton zusammengetan hatte, lagen vier Jahre. Dazwischen liegen übrigens laut der Webseite keine nennenswerten Meldungen. Offenbar ist es ein schweigsames Gewerbe, dass nur hin und wieder Nachrichten publiziert. In New York, so ist zu lesen, wurde die International Literary Properties gegründet, die sich kurz ILP nennt. 

Ein halbes Jahr später, wir waren damals am Beginn einer komischen Epidemie, wird von der ILP vermeldet, dass sie die Rechte an den Nachlässen einiger Schriftsteller halten würden. Darunter Margery Allingham, Eric Ambler und Georges Simenon. Die Übernahme erfolgte von Peters, Fraser + Dunlop. Die Betreuung der Literatur solle, so hieß es, weiterhin in den Händen der bisherigen Literatur-Agenten liegen. Hilary Strong, die das Geschäft in Großbritannien und in Europa verantwortet, sagte damals:

Ich freue mich wirklich über die Gelegenheit, diese zwölf wunderbaren Nachlässe zu pflegen und neue und aufregende Wege zu finden, die großartigen Geschichten zu erzählen, die in ihnen stecken.

Im Juni letzten Jahres kam heraus, dass die Maigret-Rechte von Playground und Red Arrow Studios für eine Serie entwickelt werden sollte. Im Zuge der Meldung wurde auch offenbar, dass die ILP neunzig Prozent der Anteile an der Georges Simenon Limited übernommen hatte. Es ist davon auszugehen, dass die Anteilseigner die Familie bis dato gewesen war. In dem Zuge gab uns die Agentur auch mit auf dem Weg, dass sich Maigret dadurch auszeichnen würde, dass Maigret Verbrechen mit seinem Verständnis von menschlichen Motiven und Emotionen.

Vom Rechte-Erwerb bis zur Veröffentlichung dieses Deals verging kein Jahr. Das ist flott.

Ein Jahr später zur Frankfurter Buchmesse meldete sich Scott Hoffman als CEO von ILP in der »Publishers Weekly«. In diesem Beitrag, kündigt Hoffman an, auf der Veranstaltung nach interessanten Nachlässen zu suchen. In den letzten beiden Jahren wären schon interessante Neuzugänge zu verzeichnen gewesen, man wolle aber weiter wachsen. Die Zusammenarbeit mit John Simenon wäre sehr eng und es würde darum gehen, die Stoffe einem neuen Publikum zugänglich zu machen.

Spielplatz

Der Vertrag mit Playground wäre ein Meilenstein gewesen und bis hierhin war die Meldung ohne größere Neuigkeiten. Aber dann vermeldete Hoffman, dass Patrick Harbison sich um den Stoff als sogenannter Showrunner kümmern würde. Dieser hat sich einen Namen als Produzent in Serien wie »24«, »Law & Order: Special Victims Unit«, »Person of Interest« und »Homeland«. An »Emergency Room« war er ebenfalls als Produzent beteiligt. Über diese Serien kann gesagt werden, was man will (mein Vater wäre der Meinung gewesen, dass es sich um »amerikanischen Quatsch« handeln würde, ich bin da sehr viel positiver und interessierter eingestellt), aber sie kamen beim Publikum an. Spannung und Action ist bei jeder dieser Shows mit dabei und auch mit den Emotionen der Zuschauer wird teilweise grandios gespielt.

Dann kommt Hilary Strong zu Wort:

Wir freuen uns sehr, mit dem Team dort [Playground] zusammenzuarbeiten, um den weltweiten Zuschauern die erste zeitgemäße Umsetzung des geschätzten Maigret-Charakters zu bringen.

Nun, wenn damit gemeint ist, dass sich eine Produktionsgesellschaft entschlossen hat, einen Maigret zu entwickeln, der im 21. Jahrhundert spielt, dann mag Strong recht haben. Ich bin ein wenig zwiegespalten, wenn ich ein »first-ever« in einer Mitteilung lese, denn schon die Produktionen mit Rupert Davies und Jean Richard waren nicht mehr historisch gewesen, also für ihre Zeit durchaus – in »Liberty Bar« waren die Herrschaften noch mit der Kutsche unterwegs, davon waren in beiden Interpretationen aus den 60er- und 70er-Jahren nichts mehr zu sehen.

Diese Kombination aus einem Showrunner sehr flotter Action- und Kriminalgeschichten plus dem Ansporn, eine Figur zu schaffen, die weltweit gefällt, bereitet ein wenig Sorge um den Charakter. Wird er noch Pfeife rauchen? Wie wird es um seinen Bier- und Wein-Konsum bestellt sein? Darf Maigret noch herumgrummeln? Wird er seine Fälle, wie er es damals tat, aufgrund seiner Beobachtungsgabe und seines Verständnisses für das Menschliche lösen?

Denn seien wir ehrlich: Wenn der Maigret-Charakter von damals in das hier und jetzt transportiert wird und sich dabei so verhält, wie er es damals tat, wird er eine ganze Reihe von Problemen bekommen. In erster Linie mit der Glaubwürdigkeit – das sowohl auf technischer wie auch auf menschlicher Ebene. Die Frage ist, ob die Transformation des Charakters in die Gegenwart, die aus den Statements herauszuhören ist, Maigret guttun wird.

Aber vielleicht gibt es diese Zeitreise ja auch gar nicht und in dem Fall ist man gespannt auf die Arbeit von Patrick Harbison, der sich bisher keinen Namen mit historischen Stoffen gemacht hat.

Weitere Deals

Eine Verfilmung von »Bellas Tod« (»La Morte de Belle«) ist ebenfalls geplant, und zu der Maigret-Depardieu-Verfilmung lässt Hoffman verlauten, dass er zu den zehn erfolgreichsten Filmen in Frankreich gehören würde. Das Kriterium für die Einschätzung bleibt unerwähnt. Bisher hat der Film weltweit 5,7 Millionen Dollar eingespielt, wobei ganz gewiss noch eine ganze Reihe von Ländern gar nicht in den Genuss der Verfilmung gekommen sind – wie beispielsweise Deutschland.

Wer die Pressemitteilung lesen möchte, wird hier fündig.