An einem 13. kommt man nicht zur Welt…


War es der 12. oder war es der 13.? Diese Frage wird sich wohl nicht klären lassen. Offiziell ist es der 12. Februar, das ist das Datum, das Désiré Simenon im Standesamt hat eintragen lassen. Der Geborerene, zwar dabei gewesen, aber nicht als Zeuge taugend, gab andere Geschichten zum Besten.

»Désiré ... Hör mal ... Wie spät ist es?«
Das Kind ist zehn Minuten nach Mitternacht geboren.

Das beginnt ja gut. Zehn Minuten nach Mitternacht, das scheint kein gutes Zeichen zu sein. Mal sehen, wie es weiter geht.

»Hör mal, Désiré ... Es hat einem Freitag, den 13., das Licht der Welt erblickt. Wir dürfen es niemandem sagen. Wir müssen diese Frau bitten ...«
So lässt Désiré am nächsten Morgen, als er zusammen mit seinem Bruder Arthur als Zeugen zum Rathaus geht, um das Kind anzumelden, mit Unschuldsmiene eintragen:
»Roger Mamelin, geboren in Lüttich, 18 Rue Léopold, am Donnerstag, dem 12. Februar 1903.«

Da haben wir des Rätsels Lösung: Es war natürlich nicht Georges Simenon, von dem da die Rede war, sondern es war Roger Mamelin. Aber halt! War das nicht jener Roger Mamelin, der Georges Simenon als Alter Ego in dem famosen Roman »Stammbaum«? Genau, jener Roger war es.

Aber die gleiche Geschichte erzählt Simenon über seine Geburt. Eigentlich am Freitag, dem 13. Februar geboren, ganz knapp nach Mitternacht, und seine Mutter, die sehr abergläubisch war, stiftet ihren Mann an, auf dem Standesamt ein geringfügig modifiziertes Geburtsdatum anzugeben. Nun kann man darüber den Kopf schütteln, und sich denken: Aberglaube, wer glaubt denn sowas? Aber in so modernen Zeiten, wie wir heute leben, fortschrittlich ist es immer noch üblich, dass es keine Hotelzimmer mit einer dreizehn am Ende gibt und man möge sich mal in Flugzeugen umschauen, da fehlt auch oft die dreizehn als Reihe. Also gibt es genügend Menschen, die heute noch die dreizehn mit purem Unglück verbinden. (Ich für meinen Teil weiß allerdings nicht, ob die Leute, die wirklich abergläubisch sind, glücklicher sind, wenn sie in einem Flugzeug in Reihe vierzehn sitzen und merken, dass die Reihe dreizehn fehlt.) Von der Warte aus gesehen, kann man die Geschichte schon plausibel halten.

Schule, warum nicht?
Was hätte aus dem Mann werden können? Er ging auf ein humanistischen Gymnasium und seine Mutter Henriette hatte ihn für das Priester-Beruf vorgesehen. Eine Mädchen-Geschichte sollte dafür sorgen, dass sich Simenons Bildungsweg etwas änderte. 
Meister gesucht!
Was willst'e denn werden? Die Frage dürften auch den jungen Sim genervt haben. Wie schon beim der Gymnasiums-Auswahl war es auch hier die Mutter, die den ersten Beruf für Simenon aussuchte: Nach ihrem Willen würde er als Konditor glücklich werden. Wenn das geworden wäre, hätten wir heute vielleicht eine weltberühmte Tarte Maigret und würden den Kommissar missen. 
Erste Gehversuche
Der Journalismus ist der Wahrheit verpflichtet. So halten es viele Journalisten. Die, die es nicht so damit haben, sollten vielleicht Schriftsteller werden. So wie Georges Simenon, der seine Stärken eindeutig im Fiktionalen sah. Erst nahm er sich die Kurzgeschichte als literarische Form vor, dann den Roman. Erste Gehversuche eines Schriftstellers. 
Ein Belgier erobert Paris
Sie haben nicht auf ihn gewartet: Jeden Tag kamen an den Bahnhöfen von Paris Menschen an, die ihr Glück in der Stadt versuchen wollten. Wie Simenon es selbst in seinen Romanen beschrieb, waren es oft Leute aus dem Norden: Polen, Deutsche und halt auch Belgier. Wie Simenon, der am 14. Dezember 1922 in Paris eintraf. 
Der Name Simenon zählt nicht
Als Produzent von Groschenromanen muss man in kurzer Zeit viele Worte aufs Papier bringen. Der eigene Name wird aus dem Geschäft herausgehalten. So müssen Christan Brulls und Georges Sim erst einmal herhalten. 
Unstet
Nimmt man es genau, so schrieb Simenon nur über Orte, die er schon einmal gesehen hat. Was wäre uns entgangen, wenn er nicht so häufig gereist und umgezogen wäre? Auch die dreißiger Jahre verbrachte er recht stets auf der Suche nach einer Heimat. Im Anmarsch: Der Krieg und das erste Kind. 
Im Krieg
Simenon machte um den Krieg einen großen Bogen, schließlich hatte er im ersten Weltkrieg den Einmarsch der Deutschen erlebt. Er kümmerte sich um belgische Flüchtlinge und machte Geschäfte mit deutschen Filmfirmen. Das mochte Geld bringen, aber auch Ungemach... 
Neuanfang
Ein neues Land, neue Gewohnheiten, eine neue Sprache und eine neue Frau. Simenon reist nach und durch Amerika, unstet wie immer, begibt sich in eine ungewisse und komplizierte Beziehung. Am Anfang war natürlich nur Sonnenschein. Simenon zeigt neue, nicht unbedingt positive Seiten. 
Lakeville
Glück ist immer relativ: Simenon sollte auch nach dem Leben auf der Shadow Rock Farm beruflich erfolgreich sein. Was das familiäre Glück jedoch betraf, begannen schwierige Zeiten. Ein Abriss über die letzten wirklich glücklichen Jahre Simenons, Besuche in Europa und den ersten Brüchen. 
Fortsetzung der Krise
Simenon suchte Wege, seine Frau aufzuheitern. Eine Chance sah er in der Rückkehr nach Europa, aber es wurde nicht besser sondern immer schlimmer. So begann sich bedingungslose Liebe in bedingungslosen Hass zu wandeln. Interessanterweise merkte man es den Romanen nicht an. 
Altern im Unglück
Was nützt der berufliche Erfolg, wenn das Privatleben keine Erfüllung bringt: die Frau war Weg, geblieben war nur Hass, der in der Öffentlichkeit ausgetragen wurde; die Tochter liebte einen abgöttisch und verursachte damit neue Probleme. Der Maigret-Autor schien irgendwie merkwürdig zu sein. 

Für Eskin ist es so, wie Simenon es beschrieben hat. Demnach kam der Junge am 13. Februar zehn Minuten nach Mitternacht auf die Welt und Henriette Simenon ersuchte die Hebamme, die genaue Geburtszeit nicht zu verraten. Im Gegensatz zu Eskin sieht es Marnham nicht ganz so eindeutig. Bei ihm ist zu lesen, dass es entweder der 12. Februar gewesen ist (eine halbe Stunde vor Mitternacht), es kann aber auch der 13. gewesen sein. Marnham ist es auch, der die Zweifel an der Freitag-der-13.-Version recht deutlich artikuliert. In einer Fußnote ist zu lesen:

Simenon behauptete später, es sei sein Vater gewesen, der ihm erzählt habe, dass er am Freitag, dem dreizehnten, geboren sei. Die Geschichte wird allerdings von manchem bezweifelt, zumal Désiré Simenon nicht der Mann gewesen zu sein scheint, der wegen einer Laune seiner Frau eine Geburtsurkunde gefälscht hätte.

Fenton Bresler bringt in seiner Biographie eine Nuance hinein, in dem er schreibt, dass Henriette den Hausarzt überredet hätte, die Entbindung zeitlich zurück zu datieren, damit der Jung noch am Donnerstag auf die Welt kam. So steht für Bresler fest.

Simenon begann das Leben mit einer Lüge.

Aber nicht nur das, kurz darauf musste sich der Jung auch noch eine Beleidigung um die Ohren hauen lassen, die es in sich hatte. Der junge Georges Joseph Christian dürfte davon, dass ihn seine Oma (vom Simenon-Clan) als hässliches Baby bezeichnet hatte, nicht viel mitbekommen habe.  Der Adressat war aber weniger das Baby als vielmehr die Mutter. Und die musste sich auch vorwerfen lassen, dass ihre Muttermilch wässrig wäre und das Kind deshalb so blass wäre.

Hässlichkeit bei Babys wächst sich oft aus und was die Gesundheit anbelangte, so konnte Simenon nicht klagen.