Nimm 2

Von Heiligen und Sündern


Die Programmvorschauen der Verlage sind für den Buchhandel gedacht. Journalisten, Blogger und andere Interessierte mögen sie studieren, dürften jedoch nicht zur Hauptzielgruppe gehören. Beim Lesen der Kampa-Vorschau für den Frühling kann man jedoch den Eindruck gewinnen, Daniel Kampa wolle die Simenon-Fan-Gemeinde beruhigen: Er erklärt, Simenon gelte weiterhin als Hausheiliger.

An der Auswahl der Geschichten lässt sich nicht herummäkeln. Die literarische der Qualität der Romane ist über jeden Zweifel erhaben. Das heißt im Simenon-Kontext, dass sie sich hervorragend lesen lassen. Sie haben den Vorteil, dass man nicht wirklich das Gefühl hat, in eine Story zu fallen, in der einem der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Für diejenigen, die gerade in die Simenon-Welt einsteigen und sich fragen, ob sie sich diese Bücher zulegen sollen, kann die Frage mit einem schlichten »Gewiss! Zögere nicht!« beantwortet werden.

Schauen wir uns die beiden Titel ein wenig genauer an:

Drei Zimmer in Manhattan
Kay und François, beide in einer prekären Lebenssituation, treffen sich in Manhattan und entwickeln eine Liebesbeziehung. Trotz ihrer Schwierigkeiten finden sie zueinander und beschließen, gemeinsam ihren eigenen und teilweise sehr eigenwilligen Weg zu gehen. Wen die Geschichte interessiert, wie sie sich wirklich kennengelernt haben, der kann hier die Stories der beiden vergleichen. Wie schon erwähnt, ist der Roman autobiografisch geprägt und verarbeitet Simenons Beziehung zu seiner zweiten Frau Denyse. 
Dieses Werk stellte für den Schriftsteller einen weiteren Wendepunkt dar, denn er wechselte seinen französischen Verleger. Fortan wurden sein Œuvre von Presses de la Cité veröffentlicht. (mehr)

Der kleine Heilige
Georges Simenons Roman erzählt die Geschichte von Louis, einem Jungen aus den Pariser Armenvierteln. Louis wächst in einer chaotischen Familie auf, wird geprägt von seiner Mutter Gabrielle und seinen Geschwistern. Trotz seiner schwierigen Kindheit und seiner Abneigung gegen die Schule, wird der Junge Klassenbester und beobachtet die Welt um ihn herum. Es ist famos, wie schnell die Zeit in diesem Roman vergeht. Während die zuvor erwähnte Geschichte durchaus Abgründe hat, wird man die in der Heiligen-Story nicht finden. Ein gänzlich untypischer Simenon-Roman, mit einer gewissen Leichtigkeit.
Der Roman gehört zum Spätwerk des Schriftstellers und dürfte eine Überraschung gewesen sein. (mehr)

Diese beiden Geschichten gehören wie alle bisher von Kampa aus der Romans durs-Welt veröffentlichten, zu denen, die von einer Simenon gewogenen Kritiker-Runde nicht verrissen werden würden. Irgendwie sind es die Lieblinge und unter kommerziellen Gesichtspunkten ist es verständlich. Allerdings heißt es im, dass sich weiterhin nicht an die vergessenen Geschichten herangetraut wird. Sie bleiben in gewisser Weise vergessen. Und das ist insbesondere für die Vielleser von Simenon schade.

Aber so lange Simenon noch als Hausheiliger bei Kampa gehandelt wird, dürfen wir mit zwei bis vier Veröffentlichungen per anno rechnen. Schaut man sich die Entwicklung der letzten Jahre an, muss man als Simenon-Leser:in demütig werden.

Und warum von Sündern die Rede ist: Simenon war, als er die Affäre mit Denyse anfing, noch verheiratet …