Unzählige Male las ich das erste Kapitel von Maigrets Pietr-der-Lette und nie habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was uns Simenon über die Interpol erzählte. Das passierte erst heute und ich hatte gleich eine Reihe von Fragezeichen im Gesicht. Denn der Schriftsteller vermischte offenbar Tatsachen mit Fiktion auf kreative Weise. Und da sind wir noch gar nicht beim Organigramm.
Das Bremer Polizeipräsidium war schön zentral am Wall gelegen, gar nicht so weit entfernt vom Hauptbahnhof der Stadt. Als er den Tod des Mannes, der sich Louis Jeunet nannte, in der Hansestadt untersuchte, kam der Pariser Kommissar nicht nur mit den deutschen Polizisten zusammen, sondern begab sich auch ins Präsidium. Interessant ist dabei eine Schilderung, die uns gegeben wird.
Den Tatort auf Porquerolles hatte ein Kommissar namens Boisvert begutachtet. Maigret kannte ihn, hatte sich mit diesem über den Fall Marcel Pacaud ausgetauscht. Er traute dessen Einschätzungen. Im Gespräch mit seinen Chef bezeichnete Maigret den Kollegen aus dem Süden als »Hauptkommissar«.
Bekanntermaßen war früher alles besser. Das Wetter war berechenbarer, alles war günstiger und die Jugend kannte noch Anstand und Sitte. Bürger:innen konnten sich jederzeit sicher fühlen, denn die Polizei hatte immer und alles im Griff! Respekt war kein Fremdwort. Wenn es so war, warum wurden die Tiger-Brigaden geschaffen?
Monsieur Vidocq hatte ein fotografisches Gedächtnis. Wen er einmal gesehen hatte, an den erinnerte er sich. Das sollte sich als Fluch für Verbrecher herausstellen, die ab den 1810er-Jahren ihr Handwerk in Paris betreiben wollten. Denn Vidocq war einen der Ihren gewesen und hatte die Seiten gewechselt. Jedoch hatten die wenigsten seiner Mitarbeiter die gleiche Fähigkeit.
Von außen betrachtet, ist die Sache mit der Polizei in Frankreich ein wenig unübersichtlich. Maigret darf nur in Paris ermitteln, hin und wieder ist von Gendarmen die Rede, manchmal mit irgendwelchen Dorfpolizisten, dann gibt es da noch hochnäsige Bürgermeister – nicht zu vergessen die Sûreté, die von den Pariser Ermittlern als Wettbewerber wahrgenommen wird und mit den nicht gut Kirschen essen ist.
Neulich habe ich mir einen Maigret-Band aus der »Tout Simenon«-Reihe zugelegt, in der mehrere Bände zusammengefasst sind. Sie kosten zwar ein Vermögen, aber als E-Book sind sie recht leicht durchsuchbar und machen das Gepäck nicht zu schwer. Für mich sind sie weniger zum Lesen, sondern vielmehr zum Nachschlagen gedacht. Für den Dienstmädchen-Roman der Maigret-Reihe habe ich zweimal nachgeschlagen.
Ein schickes Hotel, ein unbeholfener Holländer und ein aufmerksamer Portier. Wenn ein Mann nicht in ein Hotel passt, dann kann es durchaus sein, dass sich die Polizei mit ihm beschäftigt.
Man darf diese Reportage durchaus als Fortsetzung der 1934 erschienen Beschreibung der Pariser Polizei »Hinter den Kulissen der Polizei« betrachten. Wie bei der Vorgänger-Reportage geht es auch in dieser Reportage weniger um die Polizei selbst, sondern vielmehr um die Klientel, mit die Polizei zu tun hat.
Sie interessiert die Arbeit der Polizei in den dreißiger Jahren? Vielleicht noch mit Informationen über die Verbrecher der damaligen Zeit gespickt? Dann werden Sie mit dieser Reportage goldrichtig bedient: Simenon durchleuchtet den Apparat der Pariser Polizei, betrachtet dabei den Verbrecher wie seinen Jäger und zeichnet den Umbruch auf, der sich in der Pariser Polizei zu der damaligen Zeit abzeichnete.
Diese Reportage über die Pariser Kriminalpolizei schrieb Simenon nach dem Erscheinen seiner ersten Maigrets und diese Besuche hinterließen deutliche Spuren in seinem Maigret-Werk. Schon dieser Aspekt macht ein Lesen dieser Reportage interessant.
Warum sollte sich der Kapitän Gedanken über seine Passagiere machen, die er nur von A nach B zu bringen hat? Nordley macht sich auch keine Gedanken, bis er eine Information bekommt, die seine Flugpläne ordentlich über den Haufen werfen und ihn in der Wüste landen lassen.