Maigret und ein Gueuze

Yeast is in the air


Sollte es Gueuze-Lambic heißen wie in dem Saint-Pholien-Maigret oder besser Lambic-Gueuze? Überhaupt bliebe noch die Frage Gueuze oder Geuze? Zu dieser Fragestellung kommen interessierte Laien erst, wenn sie sich der Antwort nähern, was es um Gottes Willen mit dem Begriff auf sich hat. Wenn das geklärt ist, lassen sich solche Formulierungspetitessen lösen.

Der Kommissar hielt sich in Brüssel auf. Dieser Aufenthalt bei belgischen Kollegen hatte den Charakter einer Vergnügungsreise – sein eigenes Empfinden! Als er durch die Stadt schlenderte, beobachtete er einen abgerissenen Kerl, der Geld in größeren Mengen verstaute, wie es nicht üblich war. Die Aufmerksamkeit des Pariser Polizisten war geweckt und er überlegte, während er ein Gueuze-Lambic schlurfte, was es für ein Spaß wäre, wenn er seinen Kollegen einen Verbrecher frei Haus liefern könnte.

Was den Fall anging: Ganz so leicht sollte es nicht werden. Und was das Getränk betrifft: Das kommt aus Belgien, gilt dort als Spezialität und wird zu den Bieren gezählt.

Damit könnte die Geschichte zu Ende sein, schließlich trinkt Maigret ständig irgendwo ein Bierchen. Ungewöhnlich ist, dass Simenon das Bier derart spezifizierte. Bei der Sezierung der einzelnen Geschichten sind mir diverse Alkoholika untergekommen, aber ein Bier ist Bier.

Zurück auf Anfang

Bei der Annäherung an die Problematik wird klar, dass der Ausgangspunkt Lambic ist. Gueuze ist eine Variante des Lambic, der durch gezielte Weiterverarbeitung entsteht. Das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl, denn bei der Produktion des Lambic bleibt viel dem Zufall überlassen. Zu den Grundstoffen dieses Getränkes gehört Weizen, gemälzte Gerste, Wasser und Hopfen. Das wird über mehrere Stunden gekocht, bevor man es in einen Behälter verfrachtet, der bei Zimmertemperatur stehen gelassen wird. Der Zauber besteht darin, dass sich die Luft ausreichend bewegt. Denn die Hefe wird nicht nur durch den Braumeister zugesetzt, sondern sie kommt aus der Luft in den Sud.

Wie diese gerade unterwegs sind, ist nicht berechenbar. Man kann sich zwar sicher sein, dass irgendwas passiert, aber was und in welchem Umfang, das stellt sich erst später heraus. Die gewünschten Hefen haben bestimmte Vorlieben – nicht zu warm, nicht zu kalt. Wer ein Lambic brauen will, sollte das nicht in den Winter oder im Sommer legen.

Soweit ich es verstanden habe, wird ein wenig Hefe dazugeben (oder ist sowieso vorhanden) – nichts besonderes – und gewartet, dass die Naturprozesse ihren Gängen nehmen. Gewünscht ist eine Spontangärung, wobei das »spontan« auf den unbestimmbaren Beginn des Prozesses bezieht. Nachdem die »normalen« Hefen ihre Arbeit getan haben, kommen die speziellen »Luft-Hefen« zum Zuge. Die für den Lambic notwendigen trägt zwar in seinem Namen auch »Brüssel« (und als Synonym auch den der Bierart – Brettanomyces bruxellensis sowie Brettanomyces lambicus), aber handelt sich nicht um eine Hefe, die nur in Belgien beheimatet ist. In der Natur sind Stämme der Gesellen auf der Schale von Früchten zu finden, zum Beispiel auf der von Weintrauben. 

Nicht nur die Belgier sind auf die Idee gekommen, diese Hefe für die Bierproduktion einzusetzen – die Berliner Weisse verlässt sich ebenfalls auf diesen Stamm wie auch einige amerikanische Brauereien, allerdings nicht die großen Konzerne.

Nun stellen Sie sich die Controller in einem solchen Unternehmen vor, die von den Braumeistern gesagt bekommen: »Die Hefen wollten nicht so und haben sich Zeit gelassen.« Und im Anschluss noch die Mimik des Marketings, welches die Info bekommt, dass der Geschmack sich auch ändern würde, allerdings ließe sich nicht sagen, in welche Richtung es geht. Genau! Spontanität lieben die großen Brauereifirmen nicht besonders.

Das Bier gärt in Kastanien- oder Eichenfässern. Daraus resultiert, dass es einen niedrigen Kohlensäuregehalt hat. Das macht es so etwa drei Jahre lang und wird dann im Senne-Tal ausgeschenkt. Teilweise ist es auch in Cafés in und um Brüssel zu haben. In Flaschen wird es selten abgefüllt.

Nicht am Ende

Jetzt hatte Maigret sich nicht mit einem Lambic zufriedengegeben, sondern er hatte einen Gueuze. Wer diesen trinken möchte, der kann sich schon eher auf eine Flasche freuen. So wird er auch teilweise Brüsseler Champagner genannt, denn der Gueuze reift in der Flasche. 

In diese kommt eine Mischung aus nicht komplett vergorenem Einjährigem und Lambic, der schon zwei bis drei Jahre alt ist. In den Flaschen findet eine weitere Gärung statt, bei der Kohlensäure entsteht. Das Bier, das aus den Fässern kam – wir erinnern uns – ist nicht besonders spritzig.

Nach der Abfüllung in die Flaschen wird das Getränk zwei weitere Jahre gelagert, bevor es in den Handel kommt. Beim Verzehr muss man sich nicht beeilen, die meisten Biere dieser Herstellungsart haben eine lange Haltungsdauer – manch Hersteller nennt eine Lagerzeit von bis zu zwanzig Jahren.

Der Brüsseler Champagner hat einen Alkoholgehalt von vier bis sechs Prozent. Diese Leichtigkeit und leicht alberne Idee, einen Verbrecher aus Spaß fangen zu wollen, überkam Maigret vielleicht nur deshalb, weil ihn das Brüsseler Bier mit seiner Wirkung übermannte. Allerdings sagt man das dem Bier weniger nach – bekannt ist jedoch dafür, harntreibend zu sein.

Die anderen Fragen, über die Reihung der Begriffe oder ob nun Gueuze schreibt oder Geuze (wie im Deutschen), die lassen wir einfach unter den Tisch fallen.