Pfeife

Pfeifen-Tausch und Tabak


Früher wusste in Frankreich wahrscheinlich jedes Kind, was mit Scaferlati gemeint war. Nicht unwahrscheinlich, dass man die Kleinen zum Krämer ums Eck schicken konnte, um noch mal ein Päckchen zu holen. Heute? Eher nicht. Und dass ein deutscher Nichtraucher einen Plan haben könnte, worum es sich handelt, ist noch ein Stückchen unwahrscheinlicher.

Der Begriff kam mir nun zweimal kurz hintereinander unter. Beim ersten Mal ging es um eine Konversation zwischen G7 und seinem Kameraden in »Auf Grand Langoustier«. Mich lenkte dort ein anderer Aspekt ab, und dies in negativer Hinsicht.

Die beiden Männer beobachteten das Geschehen auf dem Hof, denn sie hofften einen Mörder zu fassen. Der Erzähler hatte seine Pfeife im Garten vergessen und als nun G7, der an die seine gedacht hatte, ansteckte, bekam er ebenfalls Appetit. Das war umso schlimmer, da er sein Rauchutensil auf dem Tisch liegen sah.

»Sagen Sie mal, G7 ... Wenn Sie fertig geraucht haben, würde es Ihnen etwas ausmachen, mir ..«

… und es machte G7 nichts aus. Er verzog sein Gesicht, als würde ihm die Pfeife nicht schmecken und deshalb hatte er auch kein Problem, die Pfeife weiterzugeben.

An der Stelle kommt der, in meinen Gedanken, problematische Part: Die Pfeife war doch in seinem Mund, er hatte irgendwie darauf rumgenuckelt oder gebissen – was immer man mit so einer Pfeife auch macht – und dann gibt er sie weiter, damit jemand anders mit dem Rauchinstrument die gleichen Sachen veranstaltet. Mich würde dieser Gedanke nicht froh stimmen.

Vermutlich davon noch abgelenkt, nahm ich den folgenden Teil der Konversation nicht vollständig wahr:

»Scaferlati-Tabak?«
»Ja. ... noch von dem, den ich an der Gare de Lyon gekauft habe ...«

Auch ihm schmeckte es nicht, und er legte die Pfeife beiseite. Ich hatte mir eine kleine Notiz gemacht, irgendwann einmal nachzuschlagen, was es mit diesem Scaferlati auf sich hatte.

Die Gelegenheit bot sich, als Kommissar Maigret den Sohn des Ermordeten William Brown aufsuchte. Harry Brown hatte sich edel im »Hôtel Provençal« eingemietet, dem Polizisten ein Glas Port kommen lassen (welchen dieser verschmähte) und offerierte, wie es sich damals gehörte, auch Tabak an:

Der junge Mann erhob sich, [...], kehrte dann aber zu Maigret zurück und reichte ihm ein Zigarettenetui.
»Danke! Ich rauche nur Pfeife.«
Der andere nahm eine Dose mit englischem Tabak von einem runden Tischchen.
»Ich rauche nur Scaferlati, den grauen«, sagte Maigret und zog sein Tabakpäckchen aus der Tasche.

Wer nun auf den Trichter kommt, dass Maigret irgendwas Italienisches rauchen würde, liegt nicht so falsch. Bei der Bedeutung des Wortes wird meistens davon ausgegangen, dass der Begriff aus dem Italienischen stammt. Dortige Arbeiter hatten im 18. Jahrhundert eine neue Methode entwickelt, Tabak in feine Streifen zu schneiden. Dieses Verfahren gab dem Tabak seinen Namen, wobei davon ausgegangen wird, dass es sich um eine Verzerrung des italienischen Wortes »scarpelletti« handelt, was sich mit »kleine Schere« übersetzen lässt.

Eine andere These besagt, dass es sich um eine Bezeichnung eines sehr aromatischen türkischen Tabaks handeln würde.

Dieser populäre Tabak wurde sowohl für das Drehen von Zigaretten sowie – im Falle des Kommissars – als Pfeifentabak genutzt. Die Sache scheint geklärt, nicht wahr? Aber irgendetwas tönte falsch. Deshalb habe ich noch in das Original »Liberty Bar« geschaut und las dort:

L'autre prit sur un guéridon une boîte de tabac anglais.
– Du gris ! fit Maigret en tirant son paquet de sa poche.

Also nahm Maigret auch hier sein Tabakpäckchen aus der Tasche und ließ den englischen Tabak links liegen, aber er sagte dazu einfach nur »der Graue«. 

Bei der Übersetzung hat man den Aspekt »grau« versucht mit hineinzunehmen. Ich weiß nicht, ob passionierte Tabakraucher vielleicht auf die Idee kommen, dass das doppelt gemoppelt sein könnte. In der alten Kiepenheuer & Witsch-Übersetzung meint Maigret an der Stelle übrigens, dass er seinen »eigenen« rauchen würde und bei Diogenes erwiderte der Kommissar, er würde den »Gewöhnlichen« rauchen – auch keine Premium-Lösungen.

In der Populär-Kultur in Frankreich ist übrigens meist nur vom »Grauen« die Rede.

Abschließend noch die Formulierung aus der Porquerolles-Geschichte:

»C'est du tabac gris ?«
»Oui... C'est encore celui que j'ai acheté à la gare de Lyon.«