Bildnachweis: Nouchi – Les Clients d’Avrenos – DARGAUD
»Les Clients d’Avrenos«
Was ist der Unterschied zwischen dem Comic »Les Clients d’Avrenos« und der deutschen Ausgabe von »Die Stammgäste«? Nun ja, die Comic-Variante ist erschienen. Zugegebenermaßen ist das ein platter Witz, aber an dem Roman »Die Stammgäste« ließen sich die ersten Warnzeichen der Simenon-Erschein-Krise beobachten. Das soll aber nicht das Thema sein!
Erschienen ist die Geschichte in der französischen Variante schon im Januar diesen Jahres. Sie ist also schon ein bisschen abgehangen – und wenn ich ehrlich bin –, ich habe hier noch einen Comic liegen, der vor ein paar Wochen hier eingetrudelt ist. Auch zu dem habe ich noch kein Wort verloren. Kommt aber noch.
Die Geschichte
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Nouchi (über diesen lustigen Namen habe ich hier schon geschrieben) und Bernard de Jonsac. Er arbeitete für die französische Botschaft und sie war irgendwie Tänzerin. Die Männer konnten den Eindruck gewinnen, sie würde Sonderleistungen anbieten. Tat sie jedoch nicht!
Während de Jonsac introvertierte Züge trug und Nouchi sofort verfiel, sah sie sich als das hässliche Entlein, das nie einen Stich machte. Ein Eindruck, der täuschte.
Sie kannten sich noch nicht lang. Da verwunderte es, dass sie sich bereit erklärte, dem schwer verliebten Mann von Ankara nach Istanbul zu folgen. Liebe? Nein. Probleme mit der Polizei? Sehr wohl! Ihre Aufenthaltsgenehmigung in der Türkei war abgelaufen und sie die Tatsache, dass sie Tänzerin war, war für eine Verlängerung nicht hilfreich. Die Lösung fand de Jonsac: Sie müsste nur jemanden heiraten, der die Erlaubnis hatte, in dem Land zu sein. Das Gespräch und die damit verbundene Zustimmung zu diesem Ausweg gingen erstaunlich schnell über die Bühne.
Schnell stellte sich heraus, dass Nouchi nicht nur den Botschaftsmitarbeiter im Griff hatte, sondern auch andere Männer. Das schaffte sie, indem sie ihnen das Gefühl gab, sie könnten etwas bei ihr werden ... aber sie wurden es nie. Sie war nicht erreichbar. Ins Bett bekam sie keiner. Zu de Jonsac meinte sie, nie würde sie einem Mann gehören. Dass sie keiner ins Bett bekomme, das galt auch für den frisch gebackenen Ehemann.
Die Wendung an der Geschichte ist, dass Nouchi anfängt, den Mann charakterlich zu formen. Und wie de Jonsac daran verzweifelt.
Über den Erzähler und die Zeichnerin dieser Adaption ist an der Stelle schon geschrieben worden.
Ein Eindruck
Im Mai hatte ich den ersten Versuch unternommen, die Geschichte zu lesen. Der Grund, warum ich es nicht tat, war banal: Mir erschien die Schilderung zu dreckig und Nouchi machte einen sehr verkommenen Eindruck. Und das meint sowohl die Illustration wie auch ihr Auftreten in der Geschichte. (Nicht, dass das nicht der Realität der Geschichte entsprechen würde – es passte nur nicht zu meinem Gemütszustand.)
Jetzt, wo ich das akzeptiert hatte, bin ich viel leichter in und durch die Story gekommen. Das Metier, in dem diese spielt, bedingt eine gewisse Freizügigkeit und was soll man von einem französischen Comic anderes erwarten, als dass ebensolche auch dargestellt wird. In Details wird sich da nicht ergangen, eher in Andeutungen. Die dafür sehr zahlreich.
Wieder einmal habe ich das Gefühl, dass der Reiz dieser Bildergeschichte nicht in besonders schönen Illustrationen der Menschen liegt. Dagegen stechen die liebevollen Zeichnungen einzelner Häuser hervor. Sie lassen erkennen, was für ein Flair herrscht.
Die einzelnen Episoden haben unterschiedliche farbliche Grundnuancen. Einige Szenen werden von Farben dominiert, die ich nur schwerlich als schön bezeichnen würde. Auf fast jeder Seite sticht Nouchi durch die Charakterisierung als Rotschopf mit grünen Augen hervor, de Jonsac bleibt dagegen farblos. Sein Monokel ist die Extravaganz, die ihm zugestanden wird.
Die Geschichte, wie sie hier präsentiert wird, erscheint mir viel dramatischer, als ich sie aus dem Buch in Erinnerung habe. Das ist schon Kunst!
Wird es eine deutsche Fassung dieses Comics geben? Wer weiß das schon zu sagen? Lassen wir uns überraschen. Für ganz unwahrscheinlich halte ich es nicht.
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