Ausschnitt aus dem Comic » La neige était sale«

Anders schön


Wer nach dem Lesen der Geschichte verstört ist, reagiert normal – dass war mein Schlusssatz in der Beschreibung zu »Der Schnee war schmutzig«. Die Intensität der Story Simenons bleibt und wer schnell eine hässliche Schilderung von Ereignissen hinter sich bringen möchte, der ist mit der gemalten Version wahrscheinlich besser dran. Hübsche Bilder erwarten Leser:innen nicht.

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Bevor ich der Geschichte im Detail folgte, hatte ich ein wenig in dem Album herumgeblättert. Die Umgebung der damaligen Nachkriegszeit fand ich perfekt in Szene gesetzt. Die Farbgebung ist sehr gelungen: Zur Geschichte passend werden gedeckte, teilweise düstere Farben verwendet. Und immer ist der Schnee da …

Hintergrund der Story ist eine Besatzungszeit. So wie in der Romanvorlage wird nicht spezifiziert, wer wen wo besetzte und welches die Parteien dabei waren. Allein die Zeit, darauf soll später drauf zurückgekommen werden, lässt sich recht konkret festhalten.

Schaut man sich die Protagonisten an, insbesondere die Gesichter, so hat man das Gefühl, dass es sich durchweg um hässliche Menschen handelt. Mag auch der Stil des Zeichners sein – das will ich nicht ausschließen werden –, zur Geschichte passen die Gestalten gut.

Frank Friedmaier ist der »Held«. Er kommt sehr jungenhaft daher. Was exotisch an ihm wirkt, ist seine Sonnenbrille, die er in verschiedenen Situationen zu tragen pflegt. Nach Aussagen von Bernard Yslaire, dem Zeichner, wurde dieses Accessoire von John Simenon bei einem Treffen angesprochen. Der Sohn Simenons meinte: »Aber Frank, er hat eine dunkle Brille ... das macht keinen Sinn!« Die Erklärung des Zeichners war, dass Frank ein schöner Mann wäre und mit diesem Trick seine besonders verführerischen Augen verbergen würde. Mit dem Abnehmen der Brille gäbe er etwas von sich preis. Okay, die Preisgabe verstehe ich noch; Probleme hätte ich eher mit der Formulierung »der Junge wäre schön« …

Auf alle Fälle gibt diese exotische Brillen-Wahl der Story einen fantastischen Anstrich. Vermutlich, weil die Zuschauer:innen es mit der Zeit nicht in Verbindung bringen. Ansonsten hat Frank mittellanges, oft struppiges Haar und schlechte Zähne.

Champagner ist Krisenzeiten üblicherweise schwer zu haben. Für Frank war es in seiner Lieblingskneipe das normale Getränk. In der Lokalität heckte er die nächsten Gaunereien aus. Seine Kumpane kann man schwer Kumpel nennen, denn sie sind von anderem Schlag und wesentlich älter als er. Frank ist das nicht wichtig, ihm geht es ums Geld, und wenn er dann noch einen Stich bei den Mädchen machen kann, ist er schon zufrieden. Der junge Mann hätte es Erfolg genannt.

Sein Zuhause hatte er in einem Mini-Puff. Lotte, die Herbergsmutter, hat immer nur ein, zwei Frauen bei sich wohnen, die Herren zur Verfügung standen. Frank »bediente« sich ebenfalls. Das hielt ihn nicht davon ab, auch selbst als Zuhälter tätig zu werden und Jungfrauen für seinen Kumpanen aufzutreiben. Dabei bediente er sich übelster Tricks.

Die kurze Schilderung einiger Schandtaten Franks sollte klar machen, warum das Wort »Held« ein paar Absätze zuvor in Anführungszeichen gesetzt wurde. Schwer, für solch einen Menschen Sympathie zu empfinden.

Der Einstieg in die Geschichte ist aber ein Mord, den Frank begeht. Opfer seiner Attacke wurde ein Besatzungssoldat. Großes Mitleid überkommt den Lesenden bei der Schilderung der Tat nicht. Auch bei diesem Typen handelte es sich um eine zwielichtige Gestalt.

Jean-Luc Fromental meint zu der Geschichte, dass es eine harte Geschichte sei, die gleichzeitig romantisch sei. Und: »Er [Frank] sucht Erlösung im Entsetzen und in Übertretung.« Was er suche, geht aus dem Roman nicht hervor – Formentals Vermutung ist, dass es der Vater ist. Im Comic wird meines Erachtens dieser Aspekt deutlicher.

Mit über einhundert Seiten ist die Adaption umfangreich und als Hardcover erschienen. Die Geschichte ist in drei Teile unterteilt und ist dabei nah an dem Original von Simenon.

Der Zeichner hat verschiedene Elemente von Besatzung durchmischt. Frank trägt einen Stern, auf dem auch ein Text steht. Ich hätte es als »Swing« gelesen – könnte diesem jetzt aber keine Bedeutung zumessen. Das dies an den Juden-Stern der Nazis erinnert ist, denke ich, gewollt. Zum anderen sprechen die Besatzer Deutsch – zumindest gibt es Befehle, die in dieser Sprache gebrüllt werden, – und das wundert, da die Hauptfigur einen deutschsprachigen Namen trägt. Außerdem gibt es ein Kino, welches als »Soldaten-Kino« firmiert – die Typografie ist an eine Fraktur angelehnt (offenbar wollte man hier die Comic-Leser nicht mit Enträtseln von Hieroglyphen überfordern). 

Am Kino wurde als Filmplakat »Panique« (dt. »Panik«) angeschlagen – dabei handelt es sich um die Nachkriegsadaption von »Die Verlobung des Monsieur Hire«. Das ist der Streifen, den Frank mit seiner Flamme sehen wird. Dabei werden auch Szenen dem Spielfilm nachgemalt gezeigt. Ein hübscher Einfall, der nicht von Simenon stammt. Komisch ist natürlich, dass ein französischsprachiger Film in einem deutschen Kino laufen soll. 

John Simenon – das verraten Autor und Zeichner – war berührt von der Geschichte. Mir ging es so, dass mir dieser Comic naheging; vielleicht haben mich die Zeichnungen seiner Taten härter gegen ihn werden lassen, sodass sich das Mitleid für das Schicksal von Frank im Unterschied zum Buch in Grenzen hielt. War er zuvor noch Wolf unter Schafen, war er plötzlich ein Hündchen unter Wölfen.

Wir dürfen gespannt sein, mit was für Titeln aus dem Simenon-Fundus Dargaud Benelux in der nächsten Zeit aufzuwarten gedenkt.