Maigret et le crime de la rue de Bellechasse – Denis Podalydès (links als Maigret) und Manuel Guillot (als Janvier)

Stichwort: Bellechasse


Die Rue de Bellechasse in Paris hätte es fast bis an die Seine geschafft. An der Rue de Lille wird die Straße aber je ausgebremst und als Rue de la Legion d’Honneur weitergeführt. Obwohl: Ist die Fortführung eine Straße? Eigentlich handelt es sich um den Vorplatz des Musée d’Orsay. Ist das irgendwie wichtig? Naja, der Straßenname taucht im Titel eines neuen Maigrets-Films auf. Also: ja!

Bei der Verfilmung, die aktuell in der Post-Produktion ist und die jetzt in den Nachrichten auftauchte, weil sich die Produktions- und Vertriebsgesellschaft daran gemacht hat, Käufer für den Film zu finden, handelt es sich um eine Adaption von Simenons »Maigret und die alten Leute«.

Der Graf Saint-Hillaire war tot aufgefunden worden und es sah schwer nach Mord aus. Der Mann, der vor seiner Pensionierung im diplomatischen Dienst tätig war, war nicht irgendwer und so bat das Außenministerium die Kriminalpolizei, sich diskret um den Fall zu kümmern. Nun war es an Maigret, in der Angelegenheit zu ermitteln. Der Tatort lag in der Rue Saint-Dominique. Diese Straße hat zwar eine Kreuzung mit der titelgebenden Straße – aber ist halt nicht die gleiche. Noch ist nicht abzusehen, ob der Straßentitel einen Bezug zum Tatort aufzeigen soll (was irgendwie wahrscheinlich ist) oder auf einen anderen Aspekt der Story anspielt (was dann zumindest nichts mit der literarischen Vorlage zu tun hat). Ob es der Filmtitel, der jetzt offenbar der französische ist, in für eine deutsche Veröffentlichung gewählt wird, sei einmal dahingestellt. Während sie in Frankreich einen gewissen Ruf hat, weil sich gern Prominente (und natürlich auch Adelige) hier niederlassen, dürfte die meisten Deutschen mit den Schultern zucken. Gut, dass »Maigret« im Titel erwähnt wird.

Die Geschichte, mit der wir es bei Simenon zu tun haben, spielt in den sogenannten besseren Kreisen. Der Adel ist mit im Boot, auch wenn das in Frankreich nicht mehr so sein sollte ist es halt so. In der Zeit blieb man unter sich. Junge Frauen wurden nicht mit Hinz und Kunz verheiratet, die Herren natürlich auch nicht. Aber nicht nur das ist in der Angelegenheit problematisch: Maigret konnte eventuell in eine Spionage-Geschichte oder zumindest in eine Affäre mit einer außenpolitischen Komponente verwickelt sein. 

Regisseur Pascal Bonitzer sagte, dass er die Geschichte modernisieren will. »Hui, noch einer!« könnte ein Gedanke sein, aber in dem Film soll nicht das ganz große Modernisierungsgeschütz aufgefahren werden. Maigret soll der Kommissar bleiben, wie wir ihn aus den Geschichten kennen. Heißt, sie ist in den 1980er-/1990er-Jahren angesiedelt, wo weder Mobiltelefone noch das Internet eine Rolle spielten. Bonitzer, der hier nicht nur die Regie sondern auch das Drehbuch verantwortete, muss also auch die Konflikte geändert haben, die sich aus der Änderung der Handlungszeit ergeben. Die Probleme aus Simenons Zeit, die gibt es heute (hoffentlich) nicht mehr.

Zuletzt hörte man im Januar 2024 von dem Film. Der Regisseur wollte damals nicht verraten, wer die Hauptrolle spielte. Mittlerweile ist das bekannt. Es handelt sich um Denis Podalydès. Der am 22. April 1963 in Versailles geborene Podalydès ist ein renommierter französischer Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor. Gearbeitet hat er sowohl für das Theater wie auch den Film. Podalydès erhielt seine Ausbildung an der renommierten Schauspielschule des Conservatoire national supérieur d'art dramatique in Paris. 1997 trat er der prestigeträchtigen Comédie-Française bei und wurde im Jahr 2000 zum vollwertigen Mitglied (Sociétaire) ernannt. Dort etablierte er sich schnell als vielseitiger Darsteller und überzeugte in zahlreichen Klassikern von Molière bis Racine durch seine Fähigkeit, komplexe Charaktere zum Leben zu erwecken. Parallel zu seiner Bühnenkarriere hat Podalydès eine beeindruckende Filmografie aufgebaut. Sein Leinwanddebüt gab er in den frühen 1990er-Jahren, und seitdem wirkte er in zahlreichen Filmen mit, darunter »Der Vorname« (»Le Prénom«, 2012) und »Die schönen Tage« (»Les Beaux Jours«, 2013). Seine Wandlungsfähigkeit in dramatischen wie komödiantischen Rollen brachte ihm große Anerkennung ein und führte zu mehreren Nominierungen für den César, den wichtigsten Filmpreis Frankreichs. Zu seinen Regiearbeiten zählen unter anderem Theaterinszenierungen sowie Filme wie »Versailles – Könige und Intrigen« (»Versailles, le rêve d’un roi«, 2008).

Die Leser:innen mögen sich fragen, ob er jetzt ein »richtiger« Maigret ist. Eine Statur wie ein Jean Gabin hat er auf jeden Fall nicht. Er ist wohl eher ein Rowan Atkinson-Maigret in dieser Hinsicht, wenn auch schätzungsweise ein wenig kleiner. Und den Rest … ja den müssen wir abwarten.