Über die Story
Es gibt unfehlbare Indizien, dass Simenon viel auf dem Wasser unterwegs war. Aus heutiger Sicht wirkt das ein wenig elitär, denn wir verbinden das Reisen auf Weltmeeren mit etwas elitärem. Es hat etwas von Luxus, denn heute setzt sich der gewöhnliche Reise bei Intercontinental-Reisen in ein Flugzeug. Das ist die billigste Variante aus Europa nach Amerika oder Australien (und natürlich auch umgekehrt) zu kommen. Mit dem Auto ist das aussichtslos, mit dem Schiff ist es einfach nur Luxus.
In dieser Reportage führt Simenon ein imaginäres Gespräch mit einer jungen Dame und erklärt ihr, wie das Reisen der meisten Passagiere auf dem Schiff aussieht. Diese sind nämlich nicht mehr oder weniger luxuriös in der ersten oder zweiten Klasse untergebracht, sondern reisten als Deckpassagiere. Er konnte unzählige Passagiere der beiden gehobenen Klassen beobachten, wie sie »eincheckten«, und versichert der Dame in dem Text, dass das, was sie erlebt hätten bei der Passkontrolle, beim Zoll und bei den Gesundheitsbeamten, lachhaft gegen das wäre, was die Deckpassagiere über sich ergehen lassen müssten.
Die Reisen, die auf den Zwischendecks reisen würden, lebten auf ein und dem selben Schiff in einer ganz anderen Welt. Normalerweise, so berichtet Simenon, wäre der Zahlmeister für den Kontakt zu den Reisenden zuständig. Gibt es Beschwerden, so wendete man sich an den Zahlmeister und er versuchte das Problem für die Passagiere zu klären. Gewiss, würde er sich mehr um die Probleme kümmern, die die Passagiere der ersten Klasse haben. Das hat sich wohl bis zum heutigen Tag nicht geändert. Für die Probleme der sogenannten Deckspassagiere interessierte er sich indes überhaupt nicht.
Dafür gab es den Cafedji. Der war der König für die Passagiere dieser unteren Klassen. Simenon berichtet über diesen Mann, der gewöhnlich Kind von Eltern unterschiedlicher Nationalität war, dass er sich schon bei dem Betreten der Passagiere an Bord um diese kümmerte. Er prüfte die Papiere auf gültige Visa und nicht nur darauf, ob die Personen ausreisen dürften, sondern auch darauf, ob es wahrscheinlich war, dass sie am Zielort auch einreisen dürften. Denn wenn das nicht der Fall war, hatte er als Cafedji diese Personen am Hals und musste zusehen, wie er sie in irgendeinem Land loswürde. So war die Reise für so manchen Auswanderungwilligen schon am Kai zu Ende und diese standen vor der unangenehmen Situation, dass sie aus ihrem Land ausgereist waren und staatenlos in einer Hafenzone gestrandet waren.
Simenon berichtet darüber hinaus über Chinesen, die aus einem afrikanischen Land – in dem sie eine Eisenbahnlinie errichtet hatten – zurück nach China gebracht wurden. Nur die Hälfte hatte überlebt. Oder da sind die Schwarzen, die von ihrem Häuptling ausgeliehen (oder man sollte besser sagen, verschachert) wurden, und auf ein Schiff gebracht wurden, was gewiss ein zweifelhaft großartiges Ereignis für sie gewesen sein dürfte – wo sie doch an diesem Tag das erste Mal ein Haus mit mehr als einem Geschoss gesehen hatten. Das war die reinste Menschenfracht und Simenon öffnet dem Leser dafür die Ohren.
Wenn man die Augen offen hält, muss man feststellen, dass es heute noch genauso läuft: Auf den sogenannten Seelenverkäufern werden arme Wichte über Ozeane verfrachtet, mit dem Versprechen, sie würde in eine heile Welt gebracht, voller Reichtum. Ein Reichtum, der nur auf sie warten würde, der sie rufen würde. Die Realität sieht natürlich ganz anders aus und diese Menschen können sich nur freuen, wenn sie heil am Ziel ankommen und nicht sofort zurück geschickt werden.