Über die Story

Das Leben war lebenswert: Oscar Labrot stand morgens auf und machte sich, wenn er Lust hatte, auf den Weg zu angeln. Irgendwann um elf kam er dann wieder, machte nach dem Mittag ein kleines Schläfchen, um dann sich in das Bistro um die Ecke zurückzuziehen und später mit Freunden ein bisschen Boule zu spielen. Großartige Lasten hatte er nicht: Das Bürgermeisteramt hatte er aufgegeben – aber er war noch wer auf der Insel, jeder kannte und schätzte ihn.

Aber dann das:

Das erste Lebenszeichen war eine bunte Ansichtskarte vom Negus-Palast in Addis-Adeba mit einer äthiopischen Briefmarke gewesen, auf der Stand:
»Bald sehen wir uns wieder, alter Schuft. »Bei Todesstrafe«, weißt Du noch?
Dein alter Jules

Diese kleine Ansichtskarte verändert das Leben von Oscar Labrot, er verliert schlagartig das Interesse an seinem Boot »Spiegelkasten« und belauert die Menschen seiner Umgebung. Wer bekam etwas von den Ansichtskarten mit und was dachten sie darüber? In den kommenden Monaten sollte einige dieser »Grüße« bei ihm eintrafen, wussten. Er wusste nicht, was sein Frau mitbekommen hatte und sich dachte. Bei der Postangestellten wusste er hundertprozentig, dass sie die Karten las. 

Der Weg von Jules und seinen Absender-Orten

Die Karten die Oscar von besagtem Jules bekam, wurden jedes Mal von anderen Orten verschickt und Jules näherte sich der Heimat Oscars für dessen Geschmack viel zu rasant. Als die ersten Karten Jules von französischem Boden verschickt wurden, war es ganz aus: Oscar Labrot lässt sich völlig gehen, was die Leute im Ort wunderte. Sollte so ein angesehener Bürger und ehemaliger Bürgermeister sich so aufführen, dass er um zehn Uhr morgens im Schlafanzug am Anleger stand und auf das Schiff wartete?

Dann kam der Tag, an dem Oscar Jules auf dem Schiff, welches zur Insel Porquerolles fuhr, entdeckte. Den Mann, der als Jules kam, kannte Oscar nicht. Sie verband nur eine Geschichte. Diese Geschichte dürfte Jules, wie er in den Ansichtskarten schon andeutete, ziemlich wütend gemacht haben. Jules stieg vom Schiff, sein Gang war etwas merkwürdig und Oscar bemerkte, dass das wohl an einem Holzbein liegen würde. Diese Leute hatten immer diesen speziellen Gang. Jules ging nicht direkt auf seinen neuen Gastgeber zu, den er mit Ansichtskarten traktiert hatte. Er begab er sich zum Boot Labrots, zog ein großes Messer und schnitt die Befestigungsleine des Bootes durch: Es sah so aus, er wäre der Mann ziemlich sauer.

Dann begrüßte er Oscar mit den gewohnten Worten. Dem sträuben sich die Nackenhaare: An der Stelle bekommen die Leser:innen auch mitgeteilt, worum es eigentlich ging. Als Reisender, wo immer auch ist, sollte nicht dahergehen und anderen Menschen die Boote stehlen. Besonders dann nicht, wenn schon dabeisteht, dass es bei Todestrafe verboten sei. Zudem sollte niemand so dumm sein, das im afrikanischen Dschungel durchzuziehen, denn es ist ganz sicher, dass das die Wut des Bestohlenen erheblich potenziert. 

Oscar Labrot hatte als junger Mann aber den Vogel abgeschossen. Er schreib auf das besagte Verbotsschild: »Ich scheiß drauf. Oscar Labrot«. Das konnte nur Ärger geben.

Den Ärger hatte Oscar Labrot dreißig Jahre später als Pensionär. Der alte Jules, den er ja nie kennengelernt hatte, ließ sich bei ihm nieder und machte sich Tag für Tag ziemlich laut darüber Gedanken, wie er den geläuterten Labrot umbringen könnte. Nicht sehr prickelnd für den angesehenen Bürger Oscar Labrot.