Das war Kapitel 23 und Simenon ist immer noch hauptsächlich mit Denyse beschäftigt. Er hatte sie als Sekretärin eingestellt und da er die meiste Zeit zu Hause arbeitet, wird von ihr natürlich auch erwartet, dass sie in seiner Nähe arbeitet. Vorerst hatte sich Simenon noch nicht getraut, Tigy die Tragweite seiner Entscheidung mitzuteilen. Vorerst war Denyse für sie einfach nur eine Sekretärin und nicht mehr.
Sheldon Cooper, wie Maigret ein fiktionaler Charakter, erkennt die hektischen Zeichen seiner Freunde nicht und plaudert über das, was ihm sein Freund über sein Sex-Leben erzählt hat, vor dessen Freundin. Dabei bekommt er nicht mit, dass das sowohl seinem Freund wie auch dessen Freundin sehr peinlich ist. Jeder kann sich in sie hineinversetzen. Nur Sheldon braucht ein wenig länger. Aber er kommt irgendwann drauf und lernt daraus.
In weniger als einem Monat sieht man Simenon wieder frisch in den Regalen stehen. Nicht nur die Maigrets, sondern auch die Intimen Memoiren. So ist klar, dass ich bis dahin nicht fertig sein werde. Schließlich ist nicht das Lesen das, was die Zeit frisst, es der Rückblick und das Schreiben. In diesem Abschnitt, dem 20. Kapitel, geht es um die erste Zeit in Amerika, in der Simenon sich um Verträge und Frauen kümmert.
Wiederum beginne ich mit einem kleinen Nachtrag. Simenon konnte sich nicht mehr an den Namen seiner neuen Sekretärin erinnern und nennt sie in dem Buch deshalb Odette. Ist eigentlich bekannt, ob sich Odette im Nachgang dieser Memoiren bei Simenon gemeldet hat, um noch einmal ihren Namen Preis zu geben? Wäre ein netter Zug, der Neuauflagen der »Intimen Memoiren« sicher gut gestanden hätte.
Was ich wirklich faszinierend finde, wie schnell man manchmal Beziehungen zwischen dem eigenen Erlebten und Simenons Leben und Werk herstellen kann. Letztes Wochenende hatte ich das zweifelhafte Vergnügen die Auslegware unseres Wohnzimmers zu reinigen, das Wochenende davor war aber wirklich schön: Da waren wir in Berlin und erlebten das erste Deutschland-Konzert von Burt Bacharach.
Das frisch ausgelesene Kapitel ist zwölf Seiten lang. Gefühlt ist das die Durchschnittslänge eines Kapitels in diesem Buch. Dieses Kapitel hat es in jeder Hinsicht in sich: Das nichts normal ist, da Krieg ist und es sich um Simenon handelt, wurde schon in den letzten Kapiteln klar. Aber zu all den Wirren auf die der Schriftsteller keinen Einfluss hatte, kommen nun noch die, die er allein sich selbst zuzuschreiben hat.
Die Top 3 der unangenehmsten Gespräche, die ich führen musste: Auf Platz 3 ein Gespräch mit einem Kunden, der eine Entscheidung mir auferlegte, wohl wissend, dass es seine Entscheidung war und ich, zu allem Überfluss, nur eine Urlaubsvertretung war. Der zweite Platz gehört einer Konfrontation bei dem gleichen Kunden, bei der ich nur Zuhörer war (damit geht der Gruppensieg nach Heide). Platz 1 gehört dem Wehrkreiskommando Potsdam.
Die Katze heischt um Aufmerksamkeit, möchte den Kopf gekrault bekommen. Bei den lustigen Geräuschen, die sie dabei von sich gibt, eine Mischung aus Gurren und Rufen, fällt es ihr leicht, meine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Weiter weg liegt der Kater, erschlagen vom Nichtstun und ich genieße, katergleich, den Nachmittag auf der Terrasse unter blauem Himmel und denke mir, ein Waldgrundstück hätten wir damals auch haben können.
Was kann es für ein größeres Glück geben, als in Frieden zu leben? Es ist interessant, dass Simenon in seinen Tagebuch-Aufzeichnungen, die unter dem Titel »Als ich alt war« erschienen, schrieb, dass er mit der Epoche, in der er lebte, recht zufrieden wäre. Das war immerhin eine Zeit, in der es zwei große Kriege gab, in der Millionen von Menschen umkamen und die Simenon bewusst und hautnah miterlebt hatte.
Mit dem ersten Kind kommt die große Aufregung. Nicht alles geht glatt. Simenon berichtet, dass Tigy nicht genug Milch hatte und nach ein paar Tagen »ausgetrocknet« war. Es fand sich eine Lösung und der Sohn sollte nicht darunter leiden. Der junge Vater war fürchterlich besorgt um sein Kind und geht sogar die aus Lüttich angereiste Großmutter an, sie solle ja vorsichtig mit dem Jungen sein. Gemeint ist dabei seine Schwiegermutter.
Das Lesen der Memoiren erfordert ein Lexikon in der Nähe: Simenon nennt Namen, die einen Klang haben, über die man trotzdem nichts weiß. Beispielsweise Edith Cavell. Nach ihr war das Krankenhaus in Brüssel benannt, in das Simenon seine Frau zur Niederkunft bringen wollte. Es ist nur ein Absatz, in der er auf die britisch-belgische Krankenschwester eingeht, aber das erzeugte Neugierde.
Der Titel soll immer einen Meilenstein darstellen. Bis hierhin bin ich schon gekommen. Es ist so, dass ich recht schnell lese, wenn mich ein Stoff interessiert. Bei diesem Buch ist es ein wenig anders: Es ist sehr interessant, keine Frage, aber ich kann es nicht einfach in einem Rutsch durchlesen. Auf jeder Seite konfrontiert Simenon einen mit interessanten oder skurrilen Details aus seinem Leben und Erleben. Das muss verarbeitet werden.