Unterschrift

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Vor etwa fünfzehn Jahren waren wir ebenfalls in der Ecke, in der sich Simenon nun herumtrieb. Insofern kann ich Simenons Begeisterung für die Städte mit ihrem Flair durchaus nachvollziehen. In den Innenstädten hat sich das Flair schon gehalten. Hinzugekommen sind wahrscheinlich Wolkenkratzer an jeder Ecke, die Simenon so nicht gesehen haben dürfte. Dominiert wird das Kapitel aber von Wasserlebewesen.

​Oder überhaupt vom Leben im und am Wasser. In Augusta (Georgia) hatte Simenon nicht allzu viel Zeit, sich der Stadt zu widmen. Es gab mit dem »Marineland« ein Themenpark, in dem es nur um Meerestiere ging. Ein riesiges Aquarium, durch das der kleine Marc staunend wandelte. Er staunte, als er sah, wie die Haie in dem Aquarium Fische aus einem Schwarm fraßen und sein Vater ihn beruhigen musste, dass der Hai nicht alle Fische fressen konnte. Wohl wissend, dass die Betreiber des Aquarium regelmäßig kleine Fische zu deponieren hatte, damit die größeren Fisches was zum Beißen hatten.

Sie bestaunten dort auch eine Show, bei der allerlei Kunststücke von Delphinen gezeigt wurden und lernten dabei, das Delphine offenbar auf ihren Namen hören konnten und sich ihre Belohnung nur holten, wenn sie aufgerufen wurden. Auch das, kann man mit über siebzig Jahren Abstand sagen, wird heute nicht mehr ganz so unkritisch gesehen.

Interessant fand ich, dass Simenon die wahren Südstaaten-Perlen wie Charleston und Savannah nicht mit einem Wort erwähnt. Offenbar war er dort gar nicht gewesen, wäre er, wäre er um einen Roman in der Umgebung sich er nicht herumgekommen.

Die Sache mit dem Bett

Sieht man alte Filme oder Zeitschriften, dann belächelt man manchmal das, was damals für Fortschritt oder für die Zukunft gehalten wird. Zu diesen Sachen hätte sicher auch das Hotelzimmer gehört, in das man hineinkam und keine Betten sah. So ein Zimmer hatten wir in Paris auch mal gehabt, aber da handelte sich um die Dick & Doof-Variante, wie sie Marc laut Buch genannt hätte: Das Bett war an der Wand hochgeklappt und die Unterseite verkleidet.

In diesem modernen Zimmer war es so, dass das Bett aus dem Boden kam. Nur der kleine Marc hatte Angst, dass das Bett wieder verschwinden würde, wie er es in einem Film mit Dick & Doof gesehen hatte.

Raimu

​Irgendwann bekam Simenon seine Post zugestellt, die ihm nachgeschickt worden war. Darin fand er einen Brief von Raimu, der ihm berichtete, dass er einen Unfall hatte und die Ärzte ihn aber trotzdem im Krankenhaus behalten hätten. Ebenfalls in der Post waren Zeitungen, die von dem Tod von Raimu berichteten. Den Unfall hatte Raimu im März 1946, die Folge waren Beinbrüche gewesen. Im September war er erneut im Krankenhaus, da ein Schienenbeinbruch erneut operiert werden musste. Bei der Operation erlitt er einen Herzinfarkt und verstarb.

Der Sturm

Simenon schildert, wie sie einen Sturm in Florida erlebten. Es begann damit, dass der Hausbesitzer anfing, die Fenster zu verbarrikadieren. Man kennt die Bilder heute aus dem Fernsehen, wenn die Leute anfingen, sich mit Vorräten einzudecken, um gewappnet zu sein – das ganze wird dann dramatisiert und »Hamsterkäufe« genannt.

Wir waren 2005 auf einer Pensacola vorgelagerten Insel, die im Golf von Mexiko lag. Was wir sahen, ließ mich an Krieg denken. Diverse Häuser sahen so aus, als hätten Bomben eingeschlagen. Überall waren noch Bauarbeiten im Gange, um Schutt beiseite zu räumen. Der Sturm »Ivan« war ein Jahr zuvor über die Insel gezogen und die Leute waren immer noch damit beschäftigt. Seit dem habe ich mächtigen Respekt vor diesen Stürmen und kann die sogenannten »Hamsterkäufe« gut nachvollziehen. Wenn der Sturm trifft, ist danach nichts mehr.

Hier aber bekommen wir die Schilderung von Simenon zu hören, der berichtet, wie die Situation eskaliert, wie durch das Radio Warnungen ausgesandt wurden und trotzdem der Eindruck von Normalität aufrechterhalten wird.

Aber der Sturm schwächte sich letztlich ab, es gab kleine Boote, die den Sturm nicht überstanden, und umgeknickte Bäume. Es ist also gut ausgegangen.

Die rote Flut

Die nächste Station auf ihrer Reise war Sarasota. Ein Ort, der Ruhe, denn Tigy hatte sich hier niedergelassen und erwartete Marc.

Den Ort selbst fand Simenon etwas merkwürdig, aber er war an der Küste und so dreht sich auch dieser Abschnitt um Meeresbewohner und Angeln. Alle Jubeljahre kommt es vor, dass die »die rote Flut« zuschlägt. Da kommt dann nicht der Russe vorbei, wie der gemeine Mittel-Europäer vielleicht befürchtet, sondern es handelt sich um eine Algenplage, in deren Folge sich das Meer rot färbt und ein großes Sterben eintritt. Die Kadaver wurden an den Strand gespült und es stank abscheulich, so dass Simenon & Co. die Flucht antraten. Es war aber schon zu spät. Simenon litt in der Folge an einem hässlichen Ausschlag, der es ihm unmöglich machte, das Haus zu verlassen. Marc genoss das, fand neue Freunde und lernte die Freuden von Kino-Besuchen und das Vergnügen, sich auf Bowling-Bahn auszutoben, kennen.

Tigy war in der Zeit in Frankreich und kümmerte sich um administrative Aufgaben.