Wird wahrscheinlich vielen Leuten so gehen: Bei drögen Aufgaben wird nach jedem ablenkenden Strohhalm gegriffen. Mir ging das so, als sich vor einiger Zeit die bibliografischen Angaben der Romans durs überprüfte. Hier ein Jahr, dass gerichtet werden musste, da ein Entstehungsort. Und zwischendrin gab es Orte, die nur einmal auftauchten und unter die Lupe genommen wurden – als Ablenkung.
Kommt man nicht weiter, hilft es sich von dem Problem zu entfernen. Maigret macht dies, als er im Fall von Émile Boulay nicht vom Fleck kommt. Er fragt in einem Hotel nach, ob noch ein Zimmer zur Verfügung stehen würde und als das der Fall ist, schnappte er sich Madame Maigret für den Kurztripp. Nun hatte sich der Kommissar aber nicht irgendein Hotel ausgesucht.
In dem Moment, in dem Bilder aus der eigenen Vorstellung mit der Realität zusammenkommen, ist oft Enttäuschung angesagt. Was hatte ich mir beim Lesen der Lütticher Romane Simenons unter der Kirche Saint-Pholien vorgestellt? Vermutlich ein unauffälliges, etwas spuckiges Bauwerk. Davor stehend werden viele Besucher wohl enttäuscht sein.
Die Stimmung in »Liberty Bar« unterscheidet sich noch einmal von der in anderen frühen Maigret-Romanen. Das liegt zum einen an der Unlust Maigrets zu arbeiten, er lässt sich viel Zeit bei allem. Zum anderen auch daran, dass er noch mehr als die anderen Romane aus der Zeit gefallen scheint, irgendwie unmodern. Zum Beispiel wird er mit Pferdedroschken herumkutschiert.
Irgendwann hatte auch meine Frau erkannt, dass die Planung des Frankreich-Urlaubs kein Zufall gewesen sein kann und es mir gelungen war, Orte mit Bezügen zum Werk oder zum Leben von Simenon zu integrieren. Das spiegelte sich auch in den letzten Beiträgen wieder. Der Besuch in Doulevant-le-Chateaux sollte jedoch nur der Erholung dienen. Aber wie der Titel schon sagt ...
Gerade wer sich mit Simenon-Biografien befasst hat oder das autobiografische Werk Simenons gelesen hat, kommt vielleicht auf die Idee, sich seine Lütticher Stationen vor Ort anschauen zu wollen. Das ist kinderleicht, wenn man erst einmal vor Ort ist. Zum einen, weil die Strecke gut ausgezeichnet ist. Zum anderen, weil es in der Innenstadt ist und ganz flach.
Die Gastgeber und viele der Gäste der letzten Station unseres diesjährigen Frankreich-Urlaubs waren Belgier. Als wir ihnen offenbarten, dass wir Frankreich verlassen und unser finaler Halt Lüttich wäre, schauten sie uns entgeistert an und meinten: »Warum denn Liège?«. »Simenon«, sagten wir. »Na dann ...« Enthusiasmus für einen Landsmann geht anders.
Eine ganze verrückte Sache ist die, dass ich so oft die Romane und Geschichten Simenons über Porquerolles gelesen habe, dass ich am Ende der festen Überzeugung gewesen war, ich hätte die Insel schon besucht. Ich war sogar der Meinung, dass ich den Leuten Empfehlungen könnte. Erst als wir angelegt hatten, wurde mir klar: Hier war ich noch nie zuvor gewesen.
Die Geschichte vom »Würger von Moret« ist keine Maigret-Geschichte. Trotzdem erfuhr ich über das Städtchen Moret, in dem sich das Drama abspielte, während meiner Recherchen viel. Am Ende des Tages war ich so weit, dass ich dort hinwollte. Das hatte dieses Jahr geklappt und so hockten wir am Ufer der Loing, welches oft Motiv von Alfred Sisley war, und tranken unsere Bierchen.
Als Maigret nach Givet kam, war es Januar. Die Maas führte Hochwasser und der Fluss war nicht mehr schiffbar. Das Wetter war ungemütlich, die Stimmung im Ort ebenfalls. Die Familie Peeters wurde verdächtigt, in das Verschwinden von Germaine Piedbœuf involviert zu sein. Insbesondere der Sohn Joseph. Maigret agierte privat in dem Grenzstädtchen.
Auf unseren Reisen nach Frankreich, wir sind durch die Anfahrt aus dem Norden aufgrund der Entfernung etwas gehandicapt, legen wir gern einen Zwischenstopp ein. Oft in Belgien. Dieses Mal habe ich mich von Georges Simenon und einer seiner Kurzgeschichten inspirieren lassen und wählte Jeumont. Nicht direkt den Ort, denn man hat ja gewisse Ansprüche.
Sie müssen sich das so vorstellen: Simenon schreibt was von Bordeaux. Der Autor dieser Zeilen bleibt gelassen. Kurz darauf wird Toulouse oder Marseille erwähnt. Der Blutdruck bleibt unverändert. Dann passiert etwas Wesentliches oder Interessantes und wo geschah es? In Saint-Schlagmichtot. Nachschlagen, Recherchieren, Verzweiflung.