Lights

Weihnachtlich


Jedes Jahr kann man die Maigret-Erzählung »Weihnachten mit den Maigrets« empfehlen, wirklich jedes Jahr. Ich fand sie schon immer gut. Aber als ich sie – eigentlich aus einer Laune heraus – dieses Jahr mal wieder gelesen habe, erkannte ich, dass sie eine ganz andere Bedeutung hat.

Weihnachten ist für uns immer ein Fest der Begegnung und Bewegung gewesen. Diese »ruhig und besinnlich«-Masche zog bei uns nicht, da wir Weihnachten immer an unterschiedlichen Orten begingen. Das war nie eine Last, denn die Tage nach Weihnachten gab es in vielen Jahren die Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen.

Dieses Jahr war anders, dieses Weihnachten wird anders: Wir gehörten zu den ganz Strikten was Corona-Schutzmaßnahmen anging. Nicht nur, weil wir uns selbst als Risikogruppen-zugehörig betrachten, sondern auch weil unsere lieben Eltern auf alle Fälle dazugehören. Dieses Jahr hatten wir es wirklich ganz Dicke was Krankheiten, Unfälle und Krankenhaus anging – immer schön in der Kombination mit Corona –, dass es uns Irrsinn erschienen, all die Regeln, die wir das Jahr über eingehalten hatten, wo es geboten schien, nun zu brechen. Für ein Weihnachten in Familie.

Und ja, es fühlt sich wirklich sehr, sehr komisch an. Keine Familie, kein Weihnachtsmarkt, nichts – nur wir als Paar. Das wird komisch werden. Da jammere ich, dessen bin ich mir bewusst, auf hohem Niveau. Es gibt genügend Menschen, die ganz allein sind.

Dann packt man diesen Maigret aus und fängt an, die Geschichte mal wieder zu lesen. Die zweite Ebene – die einsame Zweisamkeit von Madame Maigret und ihrem Mann – nimmt einen gefangen. Den Heiligabend verbrachten die Maigrets im Theater. Das hätte man gern krönen können, in dem man ein Festmahl eingenommen hätte – aber die Tische in den Restaurants waren schon ausgebucht. Sie blieben lang auf und nach Mitternacht gab es schon die Geschenke.

Nicht normal

Der erste Weihnachtsfeiertag wird als ruhiger Tag geschildert, Maigret sieht kaum Leute auf der Straße. Aber die Geschäfte haben offen und man kann einkaufen gehen.

Madame Maigret versucht eine festliche Stimmung aufzubauen und Maigret torpediert diese. Während für seine Frau Festtage darin bestehen, ihm das Frühstück ans Bett zu bringen, bereitet ihm dieses Frühstücken Unbehagen. Als Kranker kann man im Bett frühstücken, aber wer wohlauf ist, sollte am Tisch essen. Er hätte seiner Frau die Freude machen können, ihm eine Freude zu machen. Weil Weihnachten ist.

Sie ist auch nicht glücklich, als Maigret die beiden Frauen aus dem Haus gegenüber wirklich empfängt, die mit einem Anliegen zu ihm gekommen sind. Aber das Winken mit dem Zaunpfahl will der Kommissar wohl partout nicht sehen. Er stürzt sich, grummelnd, wie es sich gehört, in die Geschichte und ist nicht unglücklich, etwas organisieren zu können, Ermittlungen zu leiten.

Die Befragungen finden nicht im Büro statt, sondern er lässt Zeugen bei sich antreten. Die Einsamkeit, die Ruhe, die Besinnlichkeit, die Weihnachten normalerweise für die Maigrets bedeutet, werden damit gebrochen. Man hat jedoch nicht den Eindruck, als ob Maigrets Frau wirklich glücklich damit wäre. 

Glück und Unglück (oder umgekehrt)

So antwortet der Kommissar am Abend des ersten Weihnachtsfeiertages auf die Frage, wann er denn nach Hause kommen würde, mit den Worten: »Wie gewöhnlich.« Also ungewiss, vielleicht gar nicht. Madame Maigret ist allein.

Gut und gern hätte er bestimmte Aspekte der Geschichte abgeben können.

Dann wäre es ihm zwar nicht möglich gewesen, Madame Maigret letztlich ein großes Geschenk zu machen. Aber wenn man ehrlich ist, war das natürlich Glückssache, denn die ganze Angelegenheit hätte auch anders verlaufen und ohne Geschenk enden können. Pures Glück und am Morgen für Maigret nicht berechenbar.

So warten wir jetzt auf unser komisches Weihnachten, hoffen auf besseres Zeiten und darauf, dass wir den ganzen Mist gut überstehen.