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Trauriger Zufall
Zu den Dingen, die ich dieses Jahr unbedingt erledigen wollte, gehörte das Anschauen des Films »Mit den Waffen einer Frau«. Hatte ich mir für heute Nachmittag vorgenommen. Vor allem deshalb, weil ich gerade ein interessantes Artefakt erworben habe. Was musste ich heute Mittag lesen? Brigitte Bardot ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Was für ein merkwürdiger und trauriger Zufall!
Kritik an ihrer Person gab es schon früher und das wurde hier notiert. Und das an einem solchen Tag zu wiederholen, tut nicht not. Der Blick soll auf den Film gelenkt werden, der eine Verbindung zwischen ihrem Schaffen und dem von Simenon darstellt: »Mit den Waffen einer Frau«.
Dabei handelt es sich um eine Verfilmung des Romans »Im Falle eines Unfalls« und wie üblich soll kritisch darauf geschaut werden, wie mit der Vorlage umgegangen wurde.
Die Handlung
Ich war ehrlich erstaunt, wie wenig Unterschiede es in der Handlung zu verzeichnen sind. Selbstverständlich gibt es Auslassungen und auch die Erzählform der Geschichte – eine Tagebuchform – würde in einer Kino-Adaption keine gute Figur machen. Davon abgesehen, haben sich die Drehbuchautoren an das Original gehalten.
Die Zuschauer:innen sehen zwei junge Frauen, die sich in den Kopf gesetzt haben, einen Uhrmacher zu überfallen. Während die eine der beiden einen zögerlichen Eindruck vermittelt, scheint die andere wild entschlossen zu sein. Die Draufgängerin in dieser Beziehung war Yvette Maudet, gespielt von Brigitte Bardot. Der Handwerker war alt und die Situation beherrschbar – aber klar ist, wenn es so einfach gewesen wäre und der Coup glatt gelaufen wäre, gäbe es keine Geschichte. Die Uhrmachergattin kam hinzu und stellte sich als sehr wehrhaft heraus. Die schlug Yvette die Waffe aus der Hand, die sich nicht anders zu helfen wusste, als mit einem Metallhebel auf die alte Frau einzuschlagen.
Die Unschuldigen gingen zu einem guten Rechtsanwalt. Die, die Dreck am Stecken hatten, die wandten sich an Anwalt Gobillot. Ihm wurde nachgesagt, dass er das Unmögliche aus solchen Fällen herausholen würde.
Als Yvette merkte, dass ihre Freundin nicht am vereinbarten Treffpunkt auftauchte, bekam sie es mit der Angst zu tun und machte sie sich auf den Weg zu Gobillot und hatte einen ausgefuchsten Plan. Ein Alibi hatte sie (ein Barmann, der sie schätzte) und eine Geschichte dazu auch. Nur musste die Freundin davon erfahren und das wäre die Aufgabe des Anwalts. Was die junge Frau in ihrer Unerfahrenheit nicht wusste, dass dieser Zugang zu anderen Tatverdächtigen dem Verteidiger nicht gestattet war und mit Zeugen durfte er auch nicht reden. Ein Motivationshindernis war zudem das Geständnis der Mademoiselle, dass sie kein Geld habe. Sie bot sich ihm an – und diese Szene ist ikonisch geworden. Hier sieht man den Ausschnitt aus einem der Filmbegleithefte:

Ich habe beim Betrachten von Aushangbildern angenommen, dass das eine hocherotische Szene sein muss. Erst nach dem Anschauen verstand ich, warum dieser Eindruck zwar dem Image von Bardot entsprach, mit der Handlung jedoch wenig zu tun hatte.

Zum einen beugt sie sich nicht so lasziv nach hinten, wie es in dem ersten Bild den Anscheint erweckt. Und in dem Ausschnitt, in dem Jean Gabin als Gobillot den Reizen stoisch entgegenblickt, erkennt man hier, wie ungeschickt sie ist. So beginnt auch die Szene, in der sie versucht, den Rechtsanwalt zu betören. Das ist einerseits sehr komisch und lädt zum Schmunzeln ein, andererseits zeigt es die Klasse von Brigitte Bardot, die halt mehr ist als einfach nur ein hübsches Ding.
Zudem heißt das, dass Fotos während des Drehs für Marketingzwecke angefertigt wurden.
Dass Yvette Maudet von dem Pariser Anwalt herausgepaukt wird, steht überhaupt nicht die Frage. Der wahre Konflikt tritt nach dem Freispruch zutage. Da betritt mit Mazzetti ein junger Liebhaber die Leinwand, der um die Liebe der betörenden Frau buhlt. Während Gobillot mit Wohlstand punkten kann, vielleicht auch mit Lebensweisheit (obwohl ich so meine Zweifel habe, bei dem Verhalten), punktete Mazzetti mit Leidenschaft und seiner Jugend.
Die Frau ist nun hin- und hergerissen und die ganze Zeit steht nur eine Frage im Raum: Wer dreht zu erst durch und für wen wird es ein bitteres Ende nehmen. Vergessen wir nicht, wir haben es mit einem Simenon zu tun!
Meisterhaft
Mit zwei Stunden ist der Film für eine Simenon-Adaption bemerkenswert lang. Ich würde behaupten, dass es dem Streifen gutgetan hätte, wäre er ein wenig gestrafft worden.
Andererseits: Was solls? Jean Gabin kann man immer zuschauen. Die Zuschauer:innen gewinnen hier gegenüber den Leser:innen, denn so hässlich wie im Buch beschrieben ist der Schauspieler nicht. Diejenigen, die Gabin auch als Maigret schätzen, wird es vielleicht gehen wie mir: Es gibt so manche Szene, in der er der Figur Maigret ähnelt. Einfach aus dem Grund, weil die Ausstattung und die Szenerie ähnlich sind. Der Charakter, den er darstellt, hat mit dem Kommissar jedoch herzlich wenig zu tun.
Wenn auch die Szene im Büro von Gobillot nicht erotisch war: Freunde dieser Facette kommen in dem Film auf ihre Kosten. In zahlreichen Einstellungen kann Brigitte Bardot ihre Meisterschaft in der Disziplin der Darstellung von Verführung zeigen. Die Unentschlossenheit der Yvette Maudet, die sich mal zu diesem Mann hingezogen fühlt, mal zu jenem – die nimmt man ihr ab. Die Schlampigkeit, die Yvette im Buch zugeschrieben wird, die wollten die Produzenten des Films den Zuschauer:innen offenbar nicht zumuten. Stattdessen wurde sie für diese Produktion von namhaften Modedesignern ausgestattet. Sie ist auch nicht so mager, wie sie sich Simenon vorgestellt hat. Klar ist nach dem Film, warum man sich in Deutschland zu dem reißerischen Titel hat hinreißen lassen.
Unfair wäre es, den Rest des Casts nicht zu erwähnen: Mir hat die Ehefrau, die die Eskapaden von Gobillot erträgt, sehr gefallen. Ich habe immer darauf gewartet, dass sie irgendetwas unternimmt. Aber irgendwie tat sie es nicht: Edwige Feuillère in der Rolle nimmt man die Frau, die zur Gefährtin geworden ist, ab. Die Schauspielerin war übrigens eine sehr populär in Frankreich und spielte in zahlreichen Filmen mit. Neben ihrer Leinwandkarriere war sie auch dem Theater verbunden und hatte ihre eigene Theatertruppe, mit der sie auftrat. Ihre Paraderolle war die Kameliendame.
Bemerkenswert ist auch Franco Interlenghi. Der Mann war in Italien ein Star für die Teenager in den 1950er-Jahren. International war ihm kein so großer Erfolg gegönnt. Auch hatte neben Kino- und TV-Rollen eine respektable Karriere als Theaterschauspieler. In dieser Verfilmung ist ihm die Verzweiflung über die gefühlte Untreue seiner Liebe anzumerken. Seine Kleidung ist dagegen widersprüchlich und nicht gelungen: Der Mann soll ein armer Student sein und arbeitet in einer Fabrik als Arbeiter – da wird es einem schwierig gemacht, das abzunehmen. Auch hier durften sich die Modedesigner austoben.
Bleibt noch Madeleine Barbulée, die als Sekretärin Bordenave eine der komischsten Szenen im Film spielen darf: Die Jungfer, die immer ein bisschen verbissen, spielt die Freude darüber, dass sie den Englandbesuch der englischen Königin im Fernsehen und aus dem Fenster beobachten darf, mit solch einer Ausgelassenheit, dass man nur Staunen kann. Bis ins hohe Alter war die Schauspielerin auf der Leinwand aktiv und hat in unzähligen Produktionen mitgewirkt.
Was zu sagen ist: Ein Pflichtprogramm für Fans von Simenon-Verfilmungen, Jean Gabin und Brigitte Bardot.
Nachtrag:
Hier rechts unten ein Beispiel für ein Bild, wie es im Film nicht zu sehen ist, aus einem BRAVO-Artikel.



Dieses umfassende Werk vereint detaillierte Informationen über Simenons Werk, und ist ein unverzichtbares Nachschlagewerk für Sammler und Fans. Der erste Band der Simenon-Bibliografie – über die Maigret-Ausgaben – erschien am 31. Mai 2024.
