Unterschrift

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In Tucson hatte Simenon eine Hazienda gefunden, die ihn mehr als begeisterte. Genau begeistert war er von der alten Dame, der die Villa gehörte. An einen Kauf dachte er nicht und die Frau hätte auch nicht verkauft; an einen längeren Aufenthalt aber durchaus. Die Besitzerin des Hauses, Madame Kingham, wollte sich jedoch nicht festlegen.

Die Dame war mehr als reizend. Sie hatte offenbar die Simenons und ihre etwas »ungewöhnlichen« Familienverhältnisse gleich ins Herz geschlossen. Die waren so herrlich untypisch (und, mit konservativen Augen gesehen, auch sehr unschicklich), schließlich musste ihr Simenon offenbaren, dass er mit Denyse nicht verheiratet war und die Mutter seines Sohnes auch bald dazustehen würde. Mit solchen Mietern ließen sich Freunde und Nachbarn gut schocken.

Billig war der Spaß übrigens nicht – also die Miete für das Anwesen: Achthundert Dollar wollte die Dame dafür haben. Da musste selbst der Schriftsteller, der gut betucht war, ein wenig schlucken. Aber es muss so schön gewesen sein.

Eine gewisse Schrulligkeit kann man der Dame schon zuschreiben: Obwohl ziemlich vermögend, putzte sie ihr Haus selbst. Dabei trug sie Diamanten. Ihren neuen Mietern erklärte sie, dass sie die nur anlegen würde, wenn sie putzt. Wenn sie Gäste empfängt und außer Haus geht, wäre von den Schätzen an ihr nichts zu sehen.

Simenon mochte die Gegend und die Menschen sehr. Sie unterschrieben einen Vertrag über sechs Monat mit der Option auf eine Verlängerung. Dieses Anrecht konnte jedoch von Madame Kingham abgelehnt werden. Alles hing davon ab, wie sie ihre Zeit verbrachte und sie schien noch keine rechten Pläne zu haben. 

So verwundert es, dass sich die Simenons eine Katze nahmen – die sie »Christmas« nannten. Natürlich ist ein Haustier sehr schön. Interessant, wenn man auch noch einen Hybriden erwischt, der zwar wie eine Katze aussieht, aber mit der man – wie mit einem Hund – spazieren gehen kann. (Wir haben auch so eine Katze, die gern mit einem spazieren geht. Aber nur in einem gewissen Radius, dann wird sie bockig.)

Allerdings sind die Samtpfoten nicht dafür bekannt, dass sie sehr tolerant auf Änderungen ihrer Umgebung reagieren und Umzüge sind ihnen ein Gräuel. Als ich von der Anschaffung des Haustieres las, an den kurzen Mietvertrag und die Vorliebe Simenons für Ortswechsel dachte, fragte ich mich, ob bei der Entscheidung weit in die Zukunft gedacht wurde. Mir scheint das nicht so zu sein.

Offizier?

Ich war schon in Florida überrascht gewesen, meine englische Offizierskleidung zu finden, die ich seit Jahren nicht mehr getragen hatte.

Man fängt an, sich über die Logistik in Simenons Leben Gedanken zu machen, wenn man das liest. Also kurz nachdem man darüber hinweggekommen ist, dass Simenon offenbar Uniformen in seinem Kleidungssortiment hatte und sich gefragt, warum um Gottes Willen, der Mann solche Ensemble vorrätig hat. Schließlich ist nicht bekannt, dass er in der englischen Armee gedient hatte … 

Dass ein erklecklicher Teil seines Hausstandes mit nach Amerika gegangen ist, kann man verstehen. Aber dass er auf einer Reise durch die USA auch sehr exotische Kleidung mitschleppte, wundert umso mehr. Ich möchte nicht wissen, mit wie vielen Koffern die Simenons unterwegs gewesen sind, wenn dort Platz für die extravagante Uniform gewesen war.

Simenon kam auf diesen Punkt, da in Arizona Pferde ein großes Thema waren und sind. Sie schafften sich keine an, aber man konnte auch diese mieten. Die zuvor gestellten Fragen bekommen noch einmal zusätzliches Gewicht, wenn Leser:innen über diesen Satz stolpern:

Ich hatte meinen englischen Sattel, meine Stiefel, die noch aus La Richardière stammten [...]

Eine Uniform ist gut ein einem Koffer unterzubringen, nimmt halt eine Menge Platz weg. Aber ein Sattel?

Die Arbeit

Das Haus, in dem die Simenons in Tucson lebten, hatte kein Obergeschoss. Dafür aber ein Kellergeschoss und in dem wurden die schriftstellerischen Arbeiten verfertigt. Simenon gibt in einer persönlichen Ansprache preis, dass Marc der Einzige gewesen wäre, der ihn jemals bei seinem schriftstellerischen Wirken beobachtet hatte. Der Junge kam so lautlos herein, dass der Vater es nicht mitbekam, pirschte sich heran und verschwand genauso wieder, nachdem er dem Vater einen Schmatzer auf die Wange verabreicht hatte.

An der Stelle wird erwähnt, dass Simenon sowohl »Maigret macht Ferien« und »Maigret und sein Toter« schrieb, wie auch »Die verlorene Stute«. Es gibt eine Notiz von ihm in dem Abschnitt, dass seit dem Schreiben von »Der Schnee war schmutzig« ihn »Christmas« bei den Spaziergängen begleitet hätte. 

Diese Anmerkung war in zweierlei Hinsicht interessant für mich: Zum einen habe ich gemerkt, dass in meinen bibliografischen Angaben noch ein Fehler im Entstehungsjahr vorlag und zum anderen, dass meine Vorstellung beim Lesen der Geschichte, dass dies in irgendeiner westdeutschen Stadt spielen würde, doch fern der Simenons gewesen war. Allerdings auch fern vieler anderer Leser:innen, die die Handlung anderweitig verortet hatten. Seiner Vorstellung nach spielte die Story in einer kleinen österreichischen Stadt.