Irritation in New York


Unter Kultur-Meldungen aus England, die in der deutschsprachigen New Yorker Wochenzeitung »Aufbau« erschienen, stand oft der Autoren-Name »Pem«. Eine Suche in der digitalen Ausgabe nach einer Erklärung für dieses Kürzel, aber diese war in der Zeitung nicht zu finden. Das war schade, aber schließlich ließ sich dieses kleine Geheimnis doch noch lüften.

Jetzt ließe sich fragen, warum das so interessant ist, es waren doch nur Meldungen aus dem Kulturbereich dieser Insel, die vor der Küste Frankreichs liegt. Es sah aber so aus, als hätte die Zeitung dort jemanden sitzen gehabt, der schon ein gewisses Faible für Simenon hatte. Die beiden Meldungen, die zuvor angesprochen wurden, waren auffallend wohlwollend. Eine Meldung von in der Ausgabe vom 13. Juli 1945 lautete:

Georges Simenon, von dessen Büchern in Frankreich ungefähr 21 Filme gemacht wurden, wird nunmehr seine erste englische Verfilmung erleben. Victor Skutezky hat den Stoff »Dieppe-Newhaven« erworben und wird im Rahmen der A.B.P. diesen ersten englischen Simenon produzieren.

Mir würde nicht einfallen, das Wort »ungefähr« mit der Zahl »21« im Zusammenhang mit Filmen einfallen. Die genannte Anzahl ist derart konkret, dass, wenn ich mir nicht sicher bin, ich auf »geschätzt« oder noch unverfänglicher »über zwanzig« zurückgegriffen hätte. Aber das war es nicht, was die Redaktion zu einer Kommentierung der Meldung bewegte:

(Die Nachricht ist recht verwunderlich, da Simenon laut »N. Y. Times« kürzlich als »Collaborationist« verhaftet worden ist. – D. Red.)

Somit wird der Begriff »Weltpresse«, der in dem Kollaborations-Beitrag verwendet wurde und in dem Simenon beteuert, nicht mit den Nazis zusammenarbeitet zu haben, klarer.

Wer ist Pem?

Pem saß in England, vermutlich London, und schrieb als Korrespondent Artikel für deutschsprachige Zeitungen. Darunter befand sich auch die deutsch-jüdische »Aufbau« aus New York. Der Name ist als Künstlername zu verstehen, denn eigentlich hieß der gute Mann Paul Marcus. Die Frage, wie denn das »e« noch dazwischen kommt, wird durch das Cover eines Buches – es wird teilweise auch von einem Bestseller gesprochen – geklärt, in dem als zweite Vorname »Erich« angeführt wurde.

Dieses Pseudonym wurde von dem Journalisten seit Mitte der zwanziger Jahre verwendet, als er sich in Berlin lebend, dem Schreiben über Themen aus dem Kultur-Bereich zuwandte. Auf die Welt kam der Mann in Beeskow, einer kleinen Stadt südöstlich von Berlin, im Jahre 1901. Seine Eltern waren jüdischer Abstammung, er trat jedoch Anfang der Zwanzigerjahre aus dem Judentum aus. Er hatte eine Bankenlehre absolviert und auch mehrere Jahre als Bankangestellter gearbeitet, das Wahre war das nicht, weshalb er sich dem Journalismus zuwandte.

Seine Themen waren Film, Theater, Literatur – wer die »Goldenen Zwanziger« mitmachen wollte, der war in Berlin am richtigen Platz. Er berichtete über die kulturellen Ereignisse der Großstadt. Alles wurde lockerer, freier – man löste sich von althergebrachten Konventionen. Er begleitete diese Veränderungen und das kulturelle Leben, bis die Nazis an die Macht kamen. Seine Einschätzung, dass es nach dem Reichstagsbrand für ihn als Mann jüdischer Abstammung nicht leichter werden würde, sollte sich als richtig erweisen – er ging über Prag nach Wien ins Exil. Pem schrieb sowohl für die österreichische Presse wie auch für deutsche Exil-Zeitungen und entwickelte einen »Newsletter« namens »Pem's Privat-Berichte«, in dem es selbstverständlich um Kultur ging.

Im Jahr 1936 ging er schließlich nach London. Seinen Lebensunterhalt verdiente er weiterhin mit den Berichten für die Exil-Presse und seinen Newsletter, den er später umbenannte in »Pem's Personal Bulletins«. Neben seiner Arbeit als Journalist betätigte er sich auch als Schriftsteller, sein erstes Buch erschien 1939 unter dem Titel »Strangers Everywhere«. Bekannter hierzulande ist er mit dem Titel »Heimweh nach dem Kurfürstendamm«, indem er die Mittzwanziger-Jahre in Berlin beleuchtet.

Pem besuchte nach dem Krieg häufig West-Berlin und war auch in der alten Bundesrepublik unterwegs, aber sein Lebensmittelpunkt blieb London. Dort starb der 1972 im Alter von 71 Jahren.