Wie man daneben liegen kann


Udo Nagel wurde als »Maigret von München« tituliert. Vielleicht sollte man mit solchen Titeln vorsichtiger sein oder sie nur vergeben, wenn man sich in der Materie auskennt. Ein paar Gründe seien nachfolgend aufgeführt.

Neben einer hohen Aufklärungsquote setzte er mit dem Plädoyer für amerikanische Vernehmungsmethoden Akzente. Heute rühmt sich der “Superbulle” damit, “erste Überlegungen zur Einführung des Lügendetektors im Bereich München” angestellt zu haben.

Amerikanische Vernehmungsmethoden? Worin bestehen die. Sind diese vielleicht so zu nehmen, wie man es im Film sieht. Aber was sieht man im Film? Selbst was man in Filmen über amerikanische Polizisten sieht, lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Und wenn er amerikanische Methoden bevorzugt, warum nennt man ihn dann Maigret, der ja Franzose ist?

Der gemütlich wirkende Pfeifenraucher kam mit seiner zurückhaltenden Art an und genoss schnell eine so große Popularität, dass er sich sogar Autogrammkarten drucken ließ. Einen Polizeipräsidenten mit Popstarqualitäten hatte Hamburg noch nicht gehabt!

Aha, weil er Pfeife rauchte. Wenn jeder, der Pfeife raucht, gleich ein Maigret ist… Und: Hat nicht auch Sherlock Holmes Pfeife geraucht? Überhaupt: Lässt jemand, der in so einem Amt tätig ist und als zurückhaltend gelten soll, Autogramm-Karten drucken? Wie dem auch sei: Maigret hatte keine Probleme mit der Presse. Er ließ sich auch fotografieren. Aber auf die Idee sich Autogramm-Karten drucken zu lassen, wäre er wohl nicht gekommen.

Der in Görlitz Geborene ist im persönlichen Umgang smart, in der Sache aber knallhart. [...] Der “bayrisch sozialisierte” Nagel erhöhte die Polizeipräsenz in Hamburg, startete die kompromisslose Abschiebung afghanischer Flüchtlinge (noch vor Bayern!), will Bettler aus der City vertreiben und boxte das härteste Polizeirecht Deutschlands durch - den “finalen Rettungsschuss” inbegriffen.

Maigret war nicht smart. Wenn er in der entsprechenden Laune war, dann brummelte er herum und konnte ungemütlich werden. Allerdings käme ein Maigret auch nicht auf die Idee, afghanische Flüchtlinge abzuschieben oder Bettler aus der Innenstadt zu vertreiben. Vielleicht müsste er es tun, wenn es ihm befohlen würde. Aber selbst käme er nicht auf den Gedanken. Der Grund: Weil er menschlich war.

Vielleicht war es der Autor der Neuen Osnabrücker Zeitung, der Nagel zum Maigret ernannte, vielleicht war es nur ein Zitat. So oder so war es unbedacht. Man verschafft Herrn Nagel mit dem Titel eine Ehre die er nicht verdient. Man kann es natürlich auch andersherum als Beleidigung für die literarische Figur Maigret sehen. Ich wünschte mir schon sehr, dass die Leute, bevor sie mit Klischees herumhantieren, schauen würden, ob es auch passt.

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