Über die Story
Ein kleiner Schneider bekommt auf wunderlichen Wegen heraus, dass sein gesellschaftlich besser gestellter Nachbar sehr viel Dreck am Stecken hat. Der Nachbar bekommt das mit und der kleine Nachbar darf sich darüber Gedanken machen, was für Konsequenzen das für ihn hat. Die Geschichte kommt ihnen bekannt vor? Kein Wunder: Georges Simenon hat sie zweimal geschrieben. Einmal als Kurzgeschichte in der vorliegenden Erzählung und das zweite Mal in dem bekannteren Roman »Die Fantome des Hutmachers«, der auch recht prominent verfilmt wurde.
Es heißt ja in der Kürze liegt die Würze, ich mag mich aber nicht entscheiden, ob ich die kleine Erzählung dem großen Roman vorziehen sollte. Eines kann man aber sagen: das eine ist genauso beklemmend wie das andere. Die Erzählung, die in England einen Krimipreis gewonnen hat, darf man genauso als Meisterleistung betrachten, wie die Fantome selbst.
In einer kleinen Stadt wurden schon sechs Frauen umgebracht, durch die Bank älteren Kalibers. Es geschah immer nach Einbruch der Dunkelheit und die Frauen waren auch immer allein unterwegs. Die Taten kommentiert der Täter mit Briefen, die er aus Schnipseln der örtlichen Presse zusammengefügt hat. Die Kommentar sind nicht bedauernd, vielmehr sind sie auch oft Ankündigungen für Folgetaten, die kurz darauf umgesetzt werden.
Der kleine Schneider, der eine Handvoll Kinder zu Hause hat, noch nicht einmal gebürtiger Franzose ist und den man ruhig als arm bezeichnen kann, folgt eines Abends seinem Nachbar – Monsieur Labbé – zu der abendlichen Session in das Bistro um die Ecke. Dieser, ein bekannter Hutmacher, setzt sich an den Stammtisch, an dem die bedeutenden Bürger der Stadt sich versammelt haben. Der Schneider wird nicht mit Monsieur angesprochen, sitzt deshalb im Bistro auch abseits. Er kann damit leben.
Dann wird ihm sein Dienstleistungs-, oder sollte man besser sagen, Unterwerfungscharakter zum Verhängnis. Er glaubt an der Hose des Hutmachers einen Faden zu sehen, und als Schneider ist er konditioniert, diesen zu entfernen. Als er sich hinunterbeugt, muss er feststellen, dass er nicht einen Fussel entfernt sondern einen Papierschnipsel aus einer Zeitung: ein Papierschnipsel wie er zum Schreiben der Bekennerbriefe des Alte-Damen-Mörders benutzt wird. Er wird scharf von seinem Nachbarn gemustert und weiß, er hat mit dem Mörder zu tun.
Im Folgenden darf er sich viele Gedanken darüber machen, ob er als Wisser der nächste ist, der umgebracht wird und wie er an die 20000 Francs kommt, die als Belohnung auf den Täter ausgesetzt sind. Ihm sitzen Hoffnung und Angst gleichzeitig im Nacken.