In dem Moment, in dem Bilder aus der eigenen Vorstellung mit der Realität zusammenkommen, ist oft Enttäuschung angesagt. Was hatte ich mir beim Lesen der Lütticher Romane Simenons unter der Kirche Saint-Pholien vorgestellt? Vermutlich ein unauffälliges, etwas spuckiges Bauwerk. Davor stehend werden viele Besucher wohl enttäuscht sein.
Wer durch Lüttich auf den Spuren von Simenon spaziert, wird Brücken nutzen müssen. Die Maas ist – salopp formuliert – immer im Weg. Eine Brücke, die Spuren auch im Werk des Schriftstellers hinterlassen hat, ist die »Pont des Arches«. Sie liegt auf dem Weg vom Marktplatz der Stadt, an der Simenon-Statue und dem Geburtshaus vorbei in Richtung Outremeuse.
Der 120. Geburtstag von Simenon wird vorbei sein, aber dafür lässt sich vielleicht ein wenig Frühling Osten Belgiens blicken: Am 8. März 2023 soll das Festival »Le Printemps Simenon« in Lüttich starten und über vier Tage sich dem Leben und Werk des Schriftstellers gewidmet werden. Die Veranstaltung wird von John Simenon, der Firma Simenon.tm (die ersterem gehört) und der Universität der Stadt organisiert.
Vermutlich hat Philippe Sadzot sein kleines Kunstwerk nicht an die große Glocke hängen wollen – bei Facebook war nichts zu finden, bei Instagram ist ein kleiner Eintrag zu finden plus ein weiterer, auf dem das Schätzchen ganz klein zu sehen ist und Google weiß davon so gar nichts. Der Zufall wollte, dass ich in Lüttich war, es entdeckte und mitnehmen musste.
Gerade wer sich mit Simenon-Biografien befasst hat oder das autobiografische Werk Simenons gelesen hat, kommt vielleicht auf die Idee, sich seine Lütticher Stationen vor Ort anschauen zu wollen. Das ist kinderleicht, wenn man erst einmal vor Ort ist. Zum einen, weil die Strecke gut ausgezeichnet ist. Zum anderen, weil es in der Innenstadt ist und ganz flach.
Die Gastgeber und viele der Gäste der letzten Station unseres diesjährigen Frankreich-Urlaubs waren Belgier. Als wir ihnen offenbarten, dass wir Frankreich verlassen und unser finaler Halt Lüttich wäre, schauten sie uns entgeistert an und meinten: »Warum denn Liège?«. »Simenon«, sagten wir. »Na dann ...« Enthusiasmus für einen Landsmann geht anders.
Eine hübsche Idee wäre es, so man im Lotto gewonnen hat und gleichzeitig noch Simenon-Liebhaber ist, ein größeres Haus in Lüttich zu kaufen, es ordentlich zu renovieren, die Zimmer nach Motiven aus den Romanen des großen Schriftsteller-Sohns dieser Stadt zu gestalten und dann – Tusch! – dieses Etablissement als »Hotel Simenon« zu eröffnen. Was für eine grandiose Idee!
Wenn ich einen kleinen Verdacht äußern dürfte: In der Redaktion der arte-Sendung »Stadt, Land, Kunst« hat ein gar nicht so unheimlicher Simenon-Liebhaber Unterschlupf gefunden. Bemerkenswert, wie häufig Simenon-Themen in Sendungen zu finden sind. Mindestens einmal im Jahr wird der Schriftsteller erwähnt. Für Simenon-Liebhaber vielleicht nicht genug ...
Das geht heute nicht mehr, habe ich ein-oder zweimal gedacht, als ich die Folge »Maigret und die Anarchisten« sah. Van Damme hatte Maigret in Reims vor einen Zug geschubst, der dann aber auf einem anderen Gleis fuhr. Maigret nimmt ihn mit nach Paris und verhört ihn dort. Der Beschuldigte redet sich heraus: Das könne man ihm nicht beweisen. Er sage, Maigret sei gestolpert. Gut für van Damme – es gab keine Zeugen.
Ein wenig erleichtert bin ich schon, dass es sich leichter liest, als ich es befürchtet hatte. Einige Indizien deuten darauf hin, dass ich es früher schon einmal probiert habe. Aber diese Erinnerung kann auch trügen, schließlich haben Simenons Biographen das Gewässer »Intime Memoiren« abgefischt. So sind meine Erinnerungen vielleicht die, die aus den Biographien stammen und nicht aus dem Lesen von Simenons Buch direkt.
Das Buch hat eine Geschichte: Ein Arzt eröffnete Simenon, dass er unheilbar krank wäre und er nur noch zwei Jahre zu leben hätte. Womit Georges Simenon das gleiche Schicksal ereilt hätte wie seinen Vater, so unwahrscheinlich war die Diagnose also nicht. Er nutzte die Zeit und fängt an seine Erinnerungen für seinen Sohn Marc aufzuschreiben. André Gide mutmaßte schon während des Schreibens, dass es ein großes Werk werden würde. Allerdings wurde ein ganz anderes Buch daraus...
Der Mann hat nicht viel: Elias Waskou lebt in Lüttich und ist dabei seinen Doktortitel in der Mathematik zu machen. Seine Wirtin kümmert sich so gut es geht um ihn; ihn, dem die tägliche Routine über alles geht. Da kommt in das Haus ein junger Mann, der aus wohlhabenden Kreisen stammt und nicht wie Elias auf den Pfennig schauen muss. Dieser ist eifrig um die Freundschaft des jungen Mathematikers bemüht – der allerdings ablehnend darauf reagiert.