Die Gastgeber und viele der Gäste der letzten Station unseres diesjährigen Frankreich-Urlaubs waren Belgier. Als wir ihnen offenbarten, dass wir Frankreich verlassen und unser finaler Halt Lüttich wäre, schauten sie uns entgeistert an und meinten: »Warum denn Liège?«. »Simenon«, sagten wir. »Na dann ...« Enthusiasmus für einen Landsmann geht anders.
Eine hübsche Idee wäre es, so man im Lotto gewonnen hat und gleichzeitig noch Simenon-Liebhaber ist, ein größeres Haus in Lüttich zu kaufen, es ordentlich zu renovieren, die Zimmer nach Motiven aus den Romanen des großen Schriftsteller-Sohns dieser Stadt zu gestalten und dann – Tusch! – dieses Etablissement als »Hotel Simenon« zu eröffnen. Was für eine grandiose Idee!
Wenn ich einen kleinen Verdacht äußern dürfte: In der Redaktion der arte-Sendung »Stadt, Land, Kunst« hat ein gar nicht so unheimlicher Simenon-Liebhaber Unterschlupf gefunden. Bemerkenswert, wie häufig Simenon-Themen in Sendungen zu finden sind. Mindestens einmal im Jahr wird der Schriftsteller erwähnt. Für Simenon-Liebhaber vielleicht nicht genug ...
Das geht heute nicht mehr, habe ich ein-oder zweimal gedacht, als ich die Folge »Maigret und die Anarchisten« sah. Van Damme hatte Maigret in Reims vor einen Zug geschubst, der dann aber auf einem anderen Gleis fuhr. Maigret nimmt ihn mit nach Paris und verhört ihn dort. Der Beschuldigte redet sich heraus: Das könne man ihm nicht beweisen. Er sage, Maigret sei gestolpert. Gut für van Damme – es gab keine Zeugen.
Ein wenig erleichtert bin ich schon, dass es sich leichter liest, als ich es befürchtet hatte. Einige Indizien deuten darauf hin, dass ich es früher schon einmal probiert habe. Aber diese Erinnerung kann auch trügen, schließlich haben Simenons Biographen das Gewässer »Intime Memoiren« abgefischt. So sind meine Erinnerungen vielleicht die, die aus den Biographien stammen und nicht aus dem Lesen von Simenons Buch direkt.
Das Buch hat eine Geschichte: Ein Arzt eröffnete Simenon, dass er unheilbar krank wäre und er nur noch zwei Jahre zu leben hätte. Womit Georges Simenon das gleiche Schicksal ereilt hätte wie seinen Vater, so unwahrscheinlich war die Diagnose also nicht. Er nutzte die Zeit und fängt an seine Erinnerungen für seinen Sohn Marc aufzuschreiben. André Gide mutmaßte schon während des Schreibens, dass es ein großes Werk werden würde. Allerdings wurde ein ganz anderes Buch daraus...
Der Mann hat nicht viel: Elias Waskou lebt in Lüttich und ist dabei seinen Doktortitel in der Mathematik zu machen. Seine Wirtin kümmert sich so gut es geht um ihn; ihn, dem die tägliche Routine über alles geht. Da kommt in das Haus ein junger Mann, der aus wohlhabenden Kreisen stammt und nicht wie Elias auf den Pfennig schauen muss. Dieser ist eifrig um die Freundschaft des jungen Mathematikers bemüht – der allerdings ablehnend darauf reagiert.
Eines der besten Bücher, die es von Simenon gibt. Wie in vielen Büchern findet man auch in diesem Buch viele Motive aus der Jugend Simenons wieder – in diesem Fall nicht nur thematisch sondern auch örtlich: der Roman spielt in Lüttich und es geht um Mord. Eigentlich ist es auch kein Mord im eigentlichen Sinne, es geht umd die Unterlassungssünden seiner »Freunde«, denn nach einer durchzechten Nacht, findet man K. erhängt in der Kapelle. Vorher war er Teil einer Clique, die sich bis spät in die Nacht die Köpfe heiß redete, die Welt verbessern wollte. Die Ideen fußten aber auf der Kraft der Inspiration, die einem Alkohol und Äther verschafft.
Der Kommissar hat mit diesem Roman einen weiteren Auftritt in Lüttich – und was für einen! Er betrat die Bar und alles erstarrte. Auch Chabot! Vorerst interessierte ihn der Fremde nicht, denn Jean Chabot hatte ein schlechtes Gewissen und daraus resultierten Probleme. Eines seiner Vergehen: Der junge Mann hatte eine Geschäftskasse geplündert. Ihm wurde mulmig, als er merkte, dass ihm dieser breitschultrige Mann durch die Stadt folgte.
Maigret hatte in Brüssel, wo er sich aus dienstlichen Gründen aufgehalten hatte, in einem Café einen Mann beobachtet, der ärmlich aussah und trotzdem Tausend-Francs-Scheine zählte. Er entschloss sich, den Mann zu verfolgen. Der Mann fuhr über Amsterdam nach Bremen. Unterwegs tauschte Maigret den Koffer des Mannes – er hatte sich in Brüssel einen Koffer gekauft, der dem des Mannes aufs Haar glich, allerdings nur Zeitungspapier enthielt. Als der Mann den Koffer in seinem Hotelzimmer öffnete und seinen Verlust begriff, erschoss er sich.
Simenon in Lüttich. Das ist ein Thema, welches er selbst sehr ausführlich behandelt hat. Am Ausführlichsten wohl in seinem autobiographisch geprägten »Stammbaum«, aber in vielen anderen Werken finden sich ebenfalls diese Spuren. Lüttich als Ausgangspunkt zu nehmen, wie Freddy Derwahl, belgischer Autor, hat seine Reize und so nimmt er sich der Kinder- und Jugendjahre Simenons an.
Glück ist immer relativ: Simenon sollte auch nach dem Leben auf der Shadow Rock Farm beruflich erfolgreich sein. Was das familiäre Glück jedoch betraf, begannen schwierige Zeiten. Ein Abriss über die letzten wirklich glücklichen Jahre Simenons, Besuche in Europa und den ersten Brüchen.