Maigret bei den Anarchisten

Die Möchtegern-Anarchisten


Das geht heute nicht mehr, habe ich ein-oder zweimal gedacht, als ich die Folge »Maigret und die Anarchisten« sah. Van Damme hatte Maigret in Reims vor einen Zug geschubst, der dann aber auf einem anderen Gleis fuhr. Maigret nimmt ihn mit nach Paris und verhört ihn dort. Der Beschuldigte redet sich heraus: Das könne man ihm nicht beweisen. Er sage, Maigret sei gestolpert. Gut für van Damme – es gab keine Zeugen.

Heute könnte man so etwas noch auf einem Provinz-Bahnhof probieren. Andernorts hängen überall Kameras und die hätten ein solch übles Verhalten schon aufgezeichnet. Niemals hätte Maigret den Mann gehen lassen müssen. So steht Aussage gegen Aussage.

Bei der zweiten Begebenheit bin ich mir nicht sicher, ob das damals vielleicht auch schon nicht funktioniert hat. Man sieht Lucas mit Madame Maigret telefonieren und dieser legt, unmittelbar bevor Maigret den Raum betritt, den Hörer auf. Als er sieht, dass Maigret den Raum betreten hat, nimmt er den Hörer wieder auf und fragt, ob Madame Maigret noch in der Leitung sei. Man sieht so etwas häufiger in alten Filmen, deshalb bin ich mir nicht sicher, ob das nicht hin und wieder vielleicht funktioniert hat.

Nur unterwegs

Die Geschichte basiert auf dem Maigret-Roman »Maigret und der Gehängte von Saint-Phobien«. In einer Bahnhofsgaststätte, das wird von Maigret in der Verfilmung nur erzählt, fällt dem Kommissar auf, dass ein Mann in recht schäbiger Kleidung einen Bündel Geldscheine zählt. Maigret beschließt, dem Mann zu folgen, kauft sich einen Koffer, der so aussieht, wie der des Mann, den er verfolgt, und steigt in einen Zug. In diesem Zug schläft der Mann ein und Maigret sieht seine Chance kommen, die Koffer zu tauschen. Der Inhalt ist recht enttäuschend, deshalb lässt er einen Grenzbeamten den Mann durchsuchen. Der ist beim Öffnen des Koffers bei der Kontrolle völlig entsetzt, nicht den Inhalt vorzufinden, den er erwartet hatte, greift zu einer Waffe und erschießt sich vor den Augen des Grenzbeamten und des ebenfalls völlig verdutzten Maigrets.

Bei der Polizei trifft Maigret auf den oben schon erwähnten van Damme, der sich mal den verstorbenen Herren anschauen will, ohne jedoch zu erklären, warum er ein solche ausgeprägtes Interesse an ihm hat. In der Romanvorlage spielt sich das alles ähnlich und vor allem in Bremen ab. Das hat man sich bei der Gelegenheit gespart. Maigret ist während der Ermittlung viel unterwegs – erst geht es wieder nach Paris, dann nach Reims, dann nach Lüttich. Da wundert es nicht, wenn Madame Maigret nur einen telefonischen Auftritt hat.

Weniger witzig

In dem Maigret, den ich mir gestern ansah, gab es so manchen komischen Moment. In diesem waren diese rar gesät. Die Stimmung war eine ganz andere: Zum einen marschiert Maigret häufig durch die nächtlichen Städte und das ist schon ein wenig unheimlich. Es gibt wohl auch nicht viele Folgen, in denen er so oft um sein Leben fürchten musste, wie in diesem.

Einige Sets, die wir zu sehen bekommen, sind regelrecht unheimlich. Als Maigret zum Beispiel das Set der Anarchisten betritt, ist das ein richtig gruseliges Haus mit einer Menge Spinnweben. Als ein Mann hinzutrat und sich als Vermieter offenbarte, war ich ehrlich verwundert, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass in einem solchen Haus irgendwer wohnen wollte. Gleichzeitig stellte ich mir – ganz ehrlich – die Frage, wie sie das mit den Spinnweben hinbekommen hatten.

 

Man sieht eine solche Geschichte sicher mit anderen Augen, wenn man die Geschichten noch nicht kennt. Für mich ist nicht mehr die Auflösung des Mörders interessant, denn ich kenne die Geschichten in der Regel, und egal wie sehr die Geschichte auch vom Original abweicht – am Ende halten sich die Drehbuch-Autoren dann doch wieder an das Original, um nicht einen neuen Mörder erfinden zu müssen. Viel interessanter halte ich den Weg dahin und den hielt ich auch diesmal für sehr unterhaltsam. Könnte ich noch zu einem Rupert-Davies-Fan werden?