Simenons Eltern


Kinder werden von ihren Eltern geprägt. Als leuchtendes Beispiel für diese pädagogische Binsenweisheit kann der Schriftsteller Georges Simenon gelten. Sein Kommissar Maigret trug Züge seines Vaters und seine Mutter dürfte in den verschiedensten Romanen als Blaupause auftauchen. Und dann wäre da noch der Brief an sie, den er nach ihrem Tod schrieb.

Der vollständige Name Simenons lautet Georges Joseph Christian Simenon. Die Mutter Henriette Brüll stammt aus dem Norden Belgiens und ist das Kind einer Holländerin und eines Deutschen. Ihre Sprache war von deutschen Brocken durchsetzt. Ein Pseudonym Simenons lehnt sich an den Geburtsnamen der Mutter an – Christian Brulls.

Henriette Brüll stammte aus einer reichen Familie, die nach dem Tod des Vaters in Armut stürzte. Dieser Schicksalsschlag bestimmt nicht nur die Erziehung, die sie genossen hat, sondern auch die ihrer Kinder.

Den Weg ihres Sohnes begleitet sie mit Skepsis und im Angesicht Erfolges und des Reichtums George Simenons, befragt sie sogar die Angestellten ihres Sohnes, ob der große Schulden hätte (Lettre à ma mère).

Sein Vater – Désiré – war, wie schon erwähnt, Versicherungsangestellter mit einer Spezialisierung auf Feuerversicherungen und stammt aus einer flämischen und katholischen Familie (womit es Henriette schon einmal sehr schwer hatte). Als Einziger aus dem Familienbunde hatte er eine höhere Schulausbildung genossen und was ihm hohes Ansehen innerhalb des Clans einbrachte. Ob er soweit rumgekommen ist, wie sein Herr Papa, glaube ich nicht. Der war Hutmachermeister und reiste in seiner Gesellenzeit durch ganz Europa. Der Vater Simenons war ein sehr geselliger Mensch: er war Mitglied in einer Laienspielgruppe, da er aber eher ein ruhiger Typ war (N. Geeraert: »Désiré liebt seine Ruhe, seine Pantoffeln, seine Zeitung, lacht gern und ist immer zu Neckereien aufgelegt.«), agierte er nicht auf der Bühne sondern als Souffleur.

Der Sohn kommentiert das so: »Was glauben Sie, was mein Vater – der groß war und gut aussah – sich für eine Rolle aussuchte? Die des Souffleurs, und die spielte er jahrelang. Er konnte alle Rollen auswendig, brauchte keinen Text mehr; aber von sich aus hatte er die Rolle des Souffleurs gewählt. Sie sehen: Wie immer wollte er seine Ruhe haben, anstatt den Blicken der Menge ausgesetzt zu sein.«

Seine Ruhe wird empfindlich gestört, denn gegen den Willen des Vaters nimmt die Mutter Studenten als Untermieter im Haus auf: »Mein Vater kam abends um halb sieben nach Hause. Sein Sessel – es gab nur einen im Haus – war dann von einem der Studenten besetzt. Seine Zeitung wurde gerade von einem der anderen gelesen und er musste warten.« berichtet Simenon in Simenon auf der Couch.