Bremer Büro

Van Dammes Büro


Wer geriet da eigentlich in die Fänge von wem? Hatte Maigret mit Van Damme einen Fang im Bremer Leichenschauhaus gemacht oder war es der Belgier, der sich freuen konnte, mit dem Kommissar eine gute Beute erzielt zu haben. Denn Van Damme war es, der Maigret unbedingt in die Geschäftswelt von Bremen einführen wollte, mit seinen Bekanntschaften und seiner Firma prahlte.

In dieser Konstellation gibt uns Simenon eine kleine Aufgabe zum Nachdenken mit, die in der heutigen Berufswelt eine untergeordnete Rolle spielen dürfte. Van Damme erzählte Maigret, dass er hin und wieder einen Monat kein Französisch sprechen würde, denn …

»[...] Meine Angestellten „sind sämtlich Deutsche, meine Sekretärin eingeschlossen, das bringt das Geschäft so mit sich.«

Der Pariser wurde an den Nachmittag bewirtet und es hört sich so an, als wäre der Geschäftsmann sehr spendabel gewesen. Nicht immer aufmerksam, das kann jedoch auch Aufschneiderei gegenüber Maigret gewesen sein. Van Damme ließ es sich nicht nehmen, den Kommissar schlussendlich noch sein Büro zu zeigen, verbunden mit der folgenden Schilderung:

Erst gegen fünf ließ er den Kommissar wieder ziehen, nachdem er ihn noch in sein Büro mitgeschleppt hatte, in dem drei Angestellte und eine Stenotypistin arbeiteten.

Worüber ich hier gestolpert bin, lässt sich wahrlich leicht erahnen. Im ersten Zitat spricht der Geschäftsmann von einer Sekretärin, im zweiten jedoch von einer Stenografin. Das ist mitnichten zu vergleichen und lädt deshalb zum Spekulieren ein.

Die Begriffe Stenotypist und Stenograf lassen sich äquivalent verwenden. Den jüngeren unter den Leser:innen sei an die Hand gegeben, worum es sich handelt: Bei der Stenografie handelt es sich um eine Kurzschrift, die es bei einem Diktat erlaubt, in Echtzeit mitzuschreiben oder den Redenden zu unterbrechen. Für die Niederschrift von Protokollen bei Gericht oder im Parlament ist es heute noch notwendig, im Geschäftsbetrieb dürfte die Bedeutung erheblich zurückgegangen sein.

Das Prinzip ist uralter Krams, denn schon in der Antike waren solche Systeme bekannt. Und im Büro-Betrieb des Mittelalters, als es noch Kanzlei hieß, wurde die Technik genutzt.

Viel interessanter ist die Frage: Wie zählte denn Herr Van Damme? Zählt er eine Sekretärin und eine Stenotypistin? Oder war seine Sekretärin eine Kundige in Sachen Stenografie?

Ich würde vom Letzteren ausgehen, denn das Büro des Geschäftsmannes wird nicht groß gewesen sein. Es waren drei Mitarbeiter für den normalen Geschäftsbetrieb angestellt, und das werden nicht die gewesen sein, die »noch« anwesend gewesen waren – somit um Van Dammes kompletten Mitarbeiterstab. Bei den damaligen Arbeitszeiten und Gepflogenheiten war es absolut üblich, um fünf Uhr im Büro zu arbeiten.

Also: Ein kleines Kontor mit einem Chef, der viel Zeit dafür hatte, durch die Gegend zu scharwenzeln und dem Kommissar in der Folge das Leben schwer zu machen.