
Bildnachweis: Filmindex – »Die Marie vom Hafen« – Filmindex Verlag
Pure Nostalgie
Kinobesuche in der DDR waren anders. Im Kino gab es andere Filme als im Westen, in Österreich und der Schweiz. Getränke? Fehlanzeige! Popcorn – hihi. Meiner Erinnerung nach wurden Programmhefte verkauft, in denen man über die Streifen informiert wurde. Aber das Gedächtnis ist trügerisch, denn auch im Osten war mit dem Spaß Ende der 70er-Jahre Schluss.
Irgendwann kam die Wende und für die Ex-DDRler rückten die neuen Filme in den Vordergrund und die Leckereien. Um ein Kinoprogramm hat sich kaum einer geschert. Wozu auch? Schließlich ging man in den Film und wusste, spätestens am Ende des Films über die Handlung Bescheid. Mit einem Programm musste einem das nicht erklärt werden.
Später kam dann das Internet und mit ihm entstanden Datenbanken über Filme und Serien, sodass man ohne Probleme nachschauen konnte, wer wann wo mitgespielt hatte. Und solch Special Interest-Webseiten wie diese Webseite boten den Service ebenso an.
Die Programmhefte waren jedoch ein probates Mittel, um sich an solche Streifen zu erinnern, die im kollektiven Filmgedächtnis schon vergessen waren. Über diese alten Hefte war es möglich, an Informationen zu diesen vergrabenen und verschollenen Schätzen zu gelangen.
Aber waren sie wirklich verschwunden, diese Infoblättchen? In Westdeutschland definitiv 1969, in der DDR – so ist zu lesen – war 1977 mit dem Info-Happen Schluss. In der Schweiz verschwanden sie auch nach und nach. Einzelne Verleiher und Kinos »kümmerten« sich nach dem Verschwinden des »Rialto-Filmhefts«.

Programmheft Feux Rouges Nr. 989 von Filmindex (Wien)
Bildnachweis: Filmindex Wien
Bleibt Österreich.
Da gibt es sie noch, die Programmhefte.
Unweigerlich denkt man an das kleine gallische Dorf, das sich einem Trend widersetzt. Aber der Filmindex-Verlag in Wien bringt zu aktuellen Filmen immer noch Hefte heraus. Darüber stolperte ich, als ich mal wieder nach »Schlusslichter« googelte – eigentlich war der deutsche Titel ja »Nächtliche Irrfahrt«, das mag auf dem österreichischen Film-Markt anders gewesen sein –, und dann über das Programmheft fiel. Schließlich ist der Film aus den frühen 2000er-Jahren.
Die Serie »Filmindex« gibt es seit 1993. Da reibt man sich die Augen, weil das nicht gerade als ein Geschäft erscheint, in das man investieren sollte. Die Programmheftserie und der Verlag wurden durch den Journalisten und Programmheft-Experten Herbert Wilfinger begründet, der sich auch einen Namen als Initiator des Preises der österreichischen Filmjournalisten – dem »Papierenen Gustl« – gemacht hat.

Filmindex »Die Marie vom Hafen«
Bildnachweis: Filmindex Verlag
Wirklich überraschend ist jedoch, dass diese Heftchen heute noch zu haben sind und in Kinos erhältlich sein sollen. In der Online-Datenbank des Verlags ist beispielsweise der Depardieu-Maigret zu finden (die Preise – einschließlich der Versandkosten – sind allerdings so happig, dass ich von einer Beschaffung abgesehen habe).
Auch werden im Rahmen dieser Serie nicht nur aktuelle Filme »verarbeitet«. Filmhefte wurden ebenso zu sehr alten Veröffentlichungen herausgegeben, wie beispielsweise »Die Marie vom Hafen«, einer Simenon-Verfilmung aus dem Jahr 1950. Dieser wurde in Deutschland seinerzeit unter dem Namen »Hafen der Verlockung« erschien, wo man sich schon fragt, was dieser Unsinn sollte. Zumindest dann, wenn sich der Inhalt im Großen und Ganzen an der literarischen Vorlage gehalten hat.
Schön, dass es sie noch gibt. Und so ehrlich das gemeint ist, entspringt die Bemerkung eher nostalgischen Gefühlen denn praktischen Erwägungen.