Dinner

Zu Tisch


In hektischen Zeiten begnügte sich der Kommissar schon mal mit einem Sandwich, was er sich von der Brasserie Dauphine bringen ließ, oder einem Sauerkraut zwischendurch. Aber einem guten Essen war der Mann nicht abgeneigt. Wer sich informieren möchte: Es gibt Literatur dazu ...

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Die Ausgabe aus dem Heyne-Verlag basiert auf dem Buch »Le cahier de recettes de Madame Maigret«. Die Texte in dem Buch wirken altbacken und die Aufmachung, insbesondere die Schrift, erinnert sehr stark an die Aufmachung der Maigret-Reihe aus dem Verlag.

Die späteren Ausgaben sind zum einen umfangreicher als die erste deutschsprachige Ausgabe. Sie basieren auf dem Buch »Simenon et Maigret passen à table«, womit sich auch erklärt, warum die 70er-Jahre-Ausgabe einen anderen Namen hat. Das Buch enthält Illustrationen und Fotos. Resultat ist, dass sie nicht nur ein Informationsspeicher sind, diese Ausgaben sind auch nett anzusehen.

Als weiterer Pluspunkt der neueren Ausgaben sei erwähnt: Diese enthalten bibliografische Bezüge, sodass man erfährt, in welchen Romanen Maigret diese oder jene Speise zu sich genommen hat.

Ausgaben

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Die erste Hardcover-Ausgabe stammt aus dem Jahr 1994. Diese kam zwei Jahre nach dem Erscheinen der französischen Originalausgabe im Schweizer AT-Verlag heraus, einem Sachbuch-Verlag, der Botanik-Bücher genauso wie Outdoor- und Kochbücher im Programm hat. Von allen Ausgaben, die bisher erschienen sind, ist das die edelste. Obwohl es sich so fundamental von dem Maigret-Erstling Courtines unterscheidet, wird für beide Ausgaben das gleiche Vorwort herangezogen. Ein Vorwort, das Simenon gar nicht so schreiben wollte, und deshalb einen Brief verfasste, der als Vorwort für beide Ausgaben verwendet wird.

1997 erfolgte eine Taschenbuch-Ausgabe von Diogenes, die als Lizenz-Ausgabe erschien. Das trifft auch auf die Ausgabe aus dem Jahr 2010 zu, die sich der Maigret-Werk-Ausgabe anschloss. Die beiden Titel sind identisch, abgesehen davon, dass die spätere Ausgabe ein Hardcover war.

Inhaltlich

Nach dem Geleitwort von Simenon (die zwischen den beiden hier vorgestellten Ausgaben auch noch unterschiedlich ist), findet sich ein Text unter dem Titel »Simenon bittet zu Tisch«, in dem Courtine sich biographischen Aspekten Simenons widmet und das Werk Simenons durchstöbert hatte. Schön zu hören, dass Simenon eine Vorliebe hegte, die ich teile:

Ich habe mir ein wahres Festmahl einverleibt. Es gab ganz einfach Matjes, die wir, Térésa und ich, gestern geffunden hatten, als wir uns die Nasen an den Schaufenstern plattdrückten, wenn ich mich so ausdrücken darf. Nur wenige kennen den Matjes, ausgenommen natürlich die Holländer, die sein Eintreffen ebenso ersehnen wie so zahlreiche Franzosen und Ausländer den -Beaujolais nouveau. Es sind junge Heringe, die von weit im Norden her kommen und zart und fleischig geblieben sind. Man isst sie roh, Würze ist nicht nötig.
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Man könnte sagen, es ist das Sushi des Nordens. Wenn Simenon schreibt, der Fisch wäre roh, stimmt das nur zum Teil. Denn der Fisch wird in einer Salzlake zur Reife gebracht und macht anschließend nicht mehr den Eindruck, wie man ihn von rohem Fisch beispielsweise beim Japaner hat. Würze ist nicht nötig? Schade, dass Simenon keine Gelegenheit hatte, die Kräutermatjes aus unserer Gegend zu essen. Ein Gedicht! Oder mein Favorit: Matjes nach Hausfrauenart. Das ist nicht etwa ein Gedicht, sondern ein Opus von Mayonnaise, Äpfeln und Zwiebeln. Dazu gehören Bratkartoffeln. (Es könnte sein, dass ich etwas vom Thema abgekommen bin.)

Die Betrachtungen zu den Essgewohnheiten Simenons folgt eine Kurzgeschichte, in der Maigret die Hauptrolle spielt, bevor Courtine Maigret zu Tisch bittet und auf die Gewohnheiten des Kriminalen eingeht. Eine rundherum gelungene Einleitung, wenn man sich zwar für das Essen interessiert, aber nicht unbedingt kochen möchte oder, auch eine schöne Variante, sich in Stimmung bringen will, bevor man anfängt zu kochen (oder die Planerei dafür).

Die »Arme-Leute-Sauce« aus dem Heyne-Band hat in diesen Büchern einen edleren Namen: »Sauce pauvre homme«. Allein damit könnte man bei Tisch Eindruck machen. Die Rezepte wurden etwas überarbeitet, wie ich an der Sauce exemplarisch zeigen möchte. Die Heyne-Ausgabe listet wie folgt:

3 EL helles Reibbrot, 2 EL Butter, 1/2 dl Essig, 1- 1 1/2l Rinderbrühe, Schalotten oder Zwieben, 1 EL gehackte Petersilie

Über den Begriff Reibbrot könnte ich mich schon amüsieren, aber so ist es halt. Wer nicht weiß, was es ist – so wie es mir erging – der wird seine Haha-Erlebnis in der aktualisierten Ausgabe erleben:

30 g Butter, 1 Esslöffel helles Paniermehl, 50 ml Weinessig, 250 ml Rindsbouillon (entfettet), 1 Zwiebel oder 2 Schalotten (fein gehackt), 1 Esslöffel feingeschnittene Petersilie

Die Portionen sind wohl andere. Warum habe ich sonst fast anderthalb Liter Rinderbrühe gebraucht, während in der neuen Fassung nur noch ein Bruchteil davon benötigt wird? Abgesehen davon nimmt man heutzutage nicht einfach nur Essig, wie einfache Leute, sondern Weinessig. Gut.

Die Rezepte in der Heyne-Ausgabe und in den späteren Ausgaben

Anfangs hatte ich mir überlegt, dass es eine gute Idee wäre, wenn man sich beide Fassungen anschafft: Also sowohl die Heyne-Fassung wie die schöne von Diogenes oder AT. Das Aussuchen und Appetit-Holen könne man in den schönen Ausgaben vornehmen. Das andere Kochbuch kann man durchaus in der Küche verwenden, das wäre nicht zu schade. Mir scheint mittlerweile, dass dieses Vorgehen zu Unstimmigkeiten führen könnte.