Tissot
Heute verlangt man von uns, die menschliche Verantwortung zu berurteilen, und zwar in einem solchen maß, dass ich oft den Eindruck habe, nicht die Richter und Geschworenen, sondern wir, die Psychiater, entscheiden über das Schicksal eines Verbrechers.
Also ist es kein neues Phänomen. Mehr denn je sind die heutigen Gerichte darauf angewiesen, Sachverständige zu hören und sich auf deren Kompetenz zu verlassen. Das ist auf der einen Seite verständlich, denn viele Sachverhalte – seien es solche, die die Psyche eines Menschen betreffen, seien es komplizierte technische Sachverhalte – kann ein Richter nicht beurteilen.
Die Frage ist natürlich: Kann er es, nachdem er ein Gutachten gehört hat? Versteht er dann zwingend die Sachverhalte? Was passiert, wenn die Sachverhalte von zwei Gutachtern ganz anders dargestellt wird, wie es in Kriminalprozessen bezüglich der Psyche häufig passiert. Welchem Gutachten kann der Richter dann folgen, denn sein Sachverstand auf dem Gebiet hat durch die Zurkenntnisnahme von zwei Gutachten, die ggf völlig konträr sind, nicht zugenommen.