Marion Brasch, John Simenon, Amadeus Gerlach, Walter Kreye

Reihe 2


Lesungen können sehr vergnügliche Angelegenheiten sein. So ein paar habe ich schon mitgemacht und den gestrigen Abend würde ich auf jeden Fall in die Reihe derer stellen, die wirklich Spaß gemacht haben. Der Raum war gut gefüllt, aber bei weitem auch nicht ausverkauft. Für die Moderation zeigte sich Marion Brasch verantwortlich, die auch John Simenon und Amadeus Gerlach interviewte.

Die Veranstaltung begann so pünktlich wie bei uns auf dem Dorf, wo Veranstaltungen bekanntlich auch pünktlich beginnen, da die Bauern zeitig zu Bett müssen. Nach einer kurzen Einleitung durch Marion Brasch, begann Walter Kreye aus »Maigrets Pfeife« zu lesen. Das Publikum lachte (leise) an den gleichen Stellen, an denen wir am Vortag schon gelacht hatten – in Unkenntnis darüber, was gelesen wird, hatten wir die Erzählung auf der Hinfahrt nach Berlin gehört. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Simenon einige Meinungen, die er Maigret äußern ließ, heute nicht mehr so schreiben würde. Einen leichten Stand in der #metoo-Debatte hätte er sowieso nicht.

Während ich Walter Kreye lauschte, fragte ich mich, ob er bei der Aufnahme im Studio auch so gestikuliert. Das wäre wahrscheinlich auch meine Frage gewesen, wenn dem Publikum Fragen erlaubt worden wären.

Nach dem ersten Leseblock, der etwa eine halbe Stunde lang gewesen war, wurden John Simenon und Amadeus Gerlach, der Geschäftsführer des Audio Verlages, auf die Bühne gebeten und unterhielten sich nun. Die Fragen kamen von der Moderation, die auch für die Übersetzung vom und ins Englische sorgte. Wie er seinen Vater erlebte habe, war eine Frage, die ich wohl auch gestellt hatte und John Simenon antwortete, dass sein Vater nicht nur immer für ihn greifbar gewesen sei, seinen Arbeitstag auch so einrichtete, dass er den Nachmittag mit den Kindern verbringen konnte, sondern dass er sehr humorvoll gewesen sein und die beiden jeden Tag lange Spaziergänge unternommen hatte. (Das hatte Simenon, laut seinen Intimen Memoiren, auch mit Marc schon so gehalten.) John Simenon reflektierte, dass es bei den langen Gesprächen um Gott und die Welt gegangen sei, aber in der Regel um ihn. Man käme in den jungen Jahren nicht darauf, sich um die Älteren zu kümmern – und er hätte nun noch viele Fragen, die er hätte damals stellen können.

Im Gespräch

Schön fand ich auch die Geschichte über ein Foto, dass John Simenon gar nicht kannte, auf dem er aber als Sechs- oder Siebenjähriger als Kommissar Maigret verkleidet war, und er konnte sich auch nicht daran erinnern. Aber anhand der Umgebung erkannte er, dass es im damaligen Haus in Cannes aufgenommen sein musste und nur er es sein konnte. Es gab auch noch ein kurzes Intermezzo zwischen John Simenon und Walter Kreye: Walter Kreye fragte als passionierter Segler, ob er jemals mit seinem Vater auf einem Boot unterwegs gewesen sei. Das bejahte John Simenon und erinnerte sich eine Bootsreise nach Holland, woraufhin Walter Kreye meinte, dass dies wohl eine der großartigsten Sachen sei, die man als Vater/Sohn oder Vater/Tochter tun könne. Zum anderen verriet John Simenon, dass sein Vater ihm nie vorgelesen hätte – schon gar nicht aus dem eigenen Werk, dass ihm die Stimme von Walter Kreye aber sehr gut gefallen hätte. Marion Brasch meinte daraufhin, dass er auch eine sehr angenehme Stimme hätte und ob er schon mal Bücher seines Vaters vorgelesen hätte. Das verneinte Simenon, er wäre aber auch nie gefragt worden. Vielleicht wäre das der Beginn einer Karriere. Warum auch nicht: »Simenon liest Simenon« ist sicher nicht der schlechteste Titel für eine solche Produktion.

Abschließend gab es einen Nachschlag von Walter Kreye: Er las aus »Maigrets Memoiren« den Abschnitt, in dem Maigret das Kennenlernen mit Georges Simenon beschreibt. Zweifellos hatte Kreye damit zwei Texte gewählt, die auch in der Maigret-Welt zu den humorvolleren gehören.

Mir hat der Abend ziemlich gut gefallen. Normalerweise hat man bei Lesungen, zumindest denen, die ich bis dato erlebte, immer die Gelegenheit gehabt, auch aus dem Publikum fragen zu stellen. Diese Gelegenheit wurde hier nicht gewährt. Man weiß nicht, ob es zu einem solchen Dialog kommt. Ich hätte es mir aber gut vorstellen können, denn mir schienen sowohl John Simenon als auch Walter Kreye als sehr offen und redselig. Und das meine ich im besten Sinne und nicht wie Maigret, als er einen Nachmittag lang Madame Leroy zuhören musste, die reden konnte, ohne ein Ende zu finden.

Die schlechte Bild-Qualität bitte ich zu entschuldigen: Ich saß zwar in Reihe 2, aber mit einem Smartphone ohne Blitz haben Aufnahmen in einem dunklen Saal meist nur die Qualität, dass man erkennt, dass da jemand sitzt… Immerhin.