Über die Story

Zwei Jahre noch, glaubt Maigret, dann wird er in der Blüte seines Lebens pensioniert werden. Aus Meung-sur-Loire zurückkommend, wo er das Haus, das sich die Maigret dort gekauft haben, zurecht gemacht hatte, sinniert er über seine Pensionierung, die mit fünfundfünfzig erfolgen soll (Maigret irrt hier – Simenon schiebt die Pensionierung des Kommissars immer wieder auf.) Gerade erst hatte er eine unangenehme Auseinandersetzung mit dem Polizeipräfekten gehabt, der dem Kommissar eine Frühpensionierung nahegelegt hat. Man war an oberster Stelle der Meinung, dass Maigret einen Fall versiebt hätte – es hat ihn viel Mühe gekostet, dass Gegenteil zu beweisen, zu beweisen, dass man ihm eine Falle gestellt hatte.

Zurück im Alltag wird Maigret mit einem Überfall auf einen Juwelier konfrontiert, der Teil einer Serie zu sein scheint, die schon über zwanzig Jahre währt. Der Kommissar weiß auch, wer für diese Überfälle verantwortlich ist, nur beweisen kann er es nicht. Auch dieses Mal macht er sich auf den Weg, um sein Glück zu versuchen:

Zehn, ja hundertmal hatte Maigret sich Palmari vorgeknöpft; zuerst im Clou Doré, der Bar, die dieser sich in der Rue Fontaine gekauft und in ein Luxusrestaurant verwandelt hatte, und später dann in der Wohnung der Rue des Acacias, wo er mit Aline lebte.
Manuel war nicht aus der Fassung zu bringen, und mit der Zeit bekamen die Unterhaltungen den Anschein einer Begegnung alter Freunde.
»Nehmen Sie Platz, Herr Kommissar. Was wollen Sie nun schon wieder von mir?«

Palmari war einer von den Menschen, bei denen man versucht war zu denken, dass der Spruch »Verbrechen lohnt sich nicht« nicht zutrifft. Er lebte, knapp sechzigjährig mit einer fünfundzwanzigjährigen, klugen Frau zusammen, die ihn seine zwei Handicaps, welche er sich vor zwei Jahren beim Schließen seine Lokals zugezogen hatte (Maschinengewehrkugeln von übellaunigen jungen Burschen, die man aber kurze Zeit später mit durchgeschnittenen Kehlen auffand), vergessen ließen. Seit dieser Zeit saß der »Pate« im Rollstuhl und musste von Aline gepflegt werden. (Er hat übrigens schon einen Auftritt in einer Erzählung absolviert – in »Maigret verteidigt sich«.)

Zu dem Überfall auf den Juwelier konnte er Maigret nichts sagen, es war ihm ein Rätsel, warum der Kommissar immer noch ihn, einen alten Mann und Krüppel, im Verdacht hatte. Der Kommissar hatte seine Gründe.

Dann tritt in der Erzählung das Überraschungsmoment ein:

»Etwas Unerwartetes ist passiert, Manuel Palmari…«
»Sag bloß, er ist verschwunden!«
»Ermordet worden ist er, in seinem Rollstuhl von mehreren Kugeln getroffen. Der Kommissar des 17. Arrondissement ist schon am Tatort und hat die Staatsanwaltschaft benachrichtigt.«
»Was ist mit Aline?«
»Sie soll die Polizei gerufen haben.«

Am Tatort wartet schon der verantwortliche Untersuchungsrichter auf ihn – Richter Ancelin. Der hat die Bitte, die Untersuchungen intensiv begleiten zu dürfen, da ihn die Methoden des Kommissars stark interessieren. Im Wege stehen, so verspricht er, würde er nicht. Der Richter hatte seinen früheren Wirkungskreis in Lille einen hervorragenden Ruf. Maigret stimmt bereitwillig zu.

Der Mann ist in der Abwesenheit von Aline umgebracht worden, die wie jeden Morgen, begleitet durch einen Polizisten, einkaufen ging. (Nein, kein Polizeischutz…) Als sie wiederkam fand sie ihren Lebensgefährten erschossen vor und verständigte sofort die Polizei. Wo dann auch schon die erste Merkwürdigkeit auftauchte – sofort heißt für Aline, so nach fünfzehn Minuten. Was sie denn in der Zeit getan hätte? Die Zeit ist gekommen, dass zu tun, was Palmeri auch immer getan hat: sich stur stellen.

Aus Aline ist nichts herauszubekommen, so geht der Kommissar seine eigenen Wege. Er begutachtet das Haus und seine Bewohner, unterhält sich, soweit wie möglich, mit jedem. Sein Weg führt ihn die Bar, die früher dem »Paten« gehörte, er findet heraus, dass die Geschäfte von Aline geführt wurden, dass ihr auch das Haus gehörte, in dem sie wohnten und sie im Hotelgewerbe tätig war.

Aber sie hatte ihren Lebensgefährten nicht erschossen, denn sie war zu Tatzeit nicht im Haus und an ihren Händen fanden sich auch keine Schmauchspuren. Ein Außerhäusiger kann es auch nicht gewesen sein, da keiner das Haus betreten kann, ohne den Augen der observierenden Polizei unterzukommen.

Sülze aus dem Morvan
Kalbskeule mit Linsen
Käse
Obstkuchen
Was das jetzt mit dem Fall zu tun hat? Nichts, fast überhaupt nichts. Das ist das Festmahl, welches Maigret und der Untersuchungsrichter zu sich nehmen, da Maigret keine Lust verspürt, nach Hause zu fahren, wo Hummer auf ihn wartet und er von dem Untersuchungsrichter zum Essen eingeladen wird.

Warum die Erzählung »Maigret lässt sich Zeit heißt«? Der Kommissar ist der Meinung, dass nach zwanzig Jahren, denn er ist der felsenfesten Überzeugung, dass der Tod Palmaris etwas mit den Juwelenräubern zu tun hat, die Zeit nicht mehr so drängt. Der Kommissar täuscht sich…