Über die Story

Man schrieb den 13. Januar. Maigrets Augenlider fühlten sich schwer an, eine seltsame Leere machte sich breit. Er sah Le Flem, dem Wirt, beim Billardspielen zu. Es war drei Uhr nachmittags, und es gab nichts zu tun in diesem »Kaff«, in das man den in Ungnade gefallenden Kommissar Maigret versetzt hatte.

Diese Versetzung sah er als zeitlich begrenzt an, irgendwann würde man sich seiner wieder erinnern. Die Wohnung in Paris behielten sie bei, Madame Maigret war ihm nachgezogen, und richtete sich in einem möblierten Zimmer häuslich ein. Aber nicht der Fall im Haus des Richters hat Maigret nach Luçon katapultiert…

Sein Tagwerk bestand in der Überwachung von Polen und Delikten wie fehlende Personalausweise und Einreise trotz Aufenthaltsverbots. Bei seiner Rückkehr aus dem Bistro saß eine alte, verschrumpelte Frau im Wachlokal. Eine Abwechslung erster Klasse:

»Was sollten Sie denn Madame? Bitte, bleiben Sie doch sitzen. Sagen Sie mir nur zuerst mal: Wer hat Sie zu mir geschickt?«
»Mein Mann, Herr Kommissar, Justin Hulot. Wenn Sie ihn sehen, erinnern Sie sich bestimmt, sein Gesicht vergisst man nicht so leicht. Er war damals Zöllner in Concarneau, als Sie den Fall bearbeiteten. Ja, und dann las er in der Zeitung, dass man Sie nach Luçon versetzt hatte. Als er nun gestern sah, dass die Leiche noch immer im Zimmer lag, da sagte er zu mir…«
»Moment mal, welche Leiche denn?«

Das war zwar eine berechtigte Zwischenfrage, aber für Adine Hulot völlig ohne Belang. Sie war hergekommen um zu berichten, und sie tat es auf ihre Weise. Auch ein Kommissar hatte sie dabei nicht zu unterbrechen. Maigret merkte es sofort und zügelte seine Ungeduld. So erfährt der Kommissar nach und nach, dass Adine und ihr Mann beobachtet haben, wie im Nachbarhaus – dem Haus des Richters Forlacroix – eine Leiche herumlag, um die sich weder das Hauspersonal noch der Richter zu kümmern schien. Nach mehrtägiger Beobachtung, kam den Hulot der Verdacht, dass der Richter nur einen günstigen Augenblick abwartete, indem er die Leiche in das Meer entsorgen könnte.

Maigret macht sich mit Adine Hulot auf den Weg nach Aiguillon. Dazu ließ er ein Taxi rufen, das war schon ein Luxus. In Aiguillon erwartete ihn schon der ehemalige Zöllner. Sie beobachteten das Gebiet, aus der sie das Kommen des Richters vermuteten. Die Nacht war sehr dunkel, und der Wasserstand für eine Verschleierungstat sehr günstig.

»Haben Sie gesehen?«
O ja, es war genau das geschehen, was die Alte gesagt, was der ehemalige Zöllner hatte kommen sehen. Der kleine Mann dort war zweifellos Richter Forlacroix. Und was er da durch den Schlamm zerrte, war mit Sicherheit eine Leiche!
(...)
Zwischen ihnen lagen keine vierzig Meter mehr. Der Kommissar und Didines Ehemann standen neben einer Art Baubaracke. Sie dachten gar nicht daran, sich zu verbergen. Der Richter sah sie nur deshalb nicht, weil er den Kopf nicht in ihre Richtung drehte. Er war völlig durcheinander, der Richter. Die Last, die er hinter sich herzerrte, war in einer Trosse hängengeblieben, die in zwanzig Zentimeter Höhe quer über den Kai lief. Er musste die Last darüberhieven, wobei er sich recht ungeschickt anstellte. Man merkte, dass er Schwerarbeit nicht gewohnt war. Er schwitzte, denn er wischte sich mit der Hand über die Stirn.
Und da nun sagte Maigret, ohne lange zu überlegen, ob dies der richtige Moment war oder was er vielleicht am besten tun sollte, einfach so:
»Sagen Sie mal, alter Freund…«

Was nun folgt, war an Unwirklichkeit nicht zu überbieten. Der Richter wirkte erlöst, als sich Maigret als Kommissar der Kriminalpolizei vorstellt und »lädt« ihn zu sich nach Hause ein. Gemeinsam schleppen Sie die in einen Teppich eingewickelte Leiche zurück ins Haus. Der Richter fragt Maigret, ob er sich die Leiche gleich ansehen will, der Kommissar fragt zurück, wer der Tote denn sei. Die Antwort ist ziemlich überraschend: er wisse es nicht.

Der Richter berichtet, dass er am Dienstag – eine zehnten – abends Besuch von seinen Freunden bekommen hatte. Es war der übliche Bridge-Abend. An den Abenden versammelte sich im Hause des Richters vieles von dem, was Rang und Namen hatte, und darüber hinaus Adines Misstrauen erregte.

Nachdem sich seine Gäste verabschiedet hatten, traf er auf der Treppe sitzend, seinen Sohn vor. Sie hatten ein kurzes Gespräch, offensichtlich standen sie sich nicht sehr nahe. Am nächsten Morgen, er konnte sich nicht einmal mehr erinnern warum, ging er in die Obstkammer. Dort entdeckte er einen Mann mit eingeschlagenem Schädel, der weder seine Brieftasche noch irgendwelche Ausweispapiere bei sich trug. Er entschloss sich, ihn bei Hochwasser der See zu übergeben. Dabei wusste der Richter nicht einmal, ob der Mann wirklich Seemann war…

Der Richter hatte nicht vor, den Mord der Polizei zu melden. So bekam die Polizei dies über Adine mitgeteilt, von der Forlacroix sagte, dass sie sich besser in seinem Hause auskenne, als er.