Das Simenon-Lesebuch


Wenn Diogenes ankündigt, dass sie das Simenon-Lesebuch wieder auflegen wollen, ein wenig modifiziert, sich aber über den Umfang der Neuerungen nicht weiter verraten, wird man als Liebhaber hellhörig. Nun halte ich das druckfrische Exemplar in meinen Händen und habe ordentlich gestaunt: die Züricher Freunde haben das ganze Buch umgekrempelt! Man mag es noch wieder erkennen – aber es wurde wirklich gründlich renoviert.

Was ist verloren gegangen? Die letzte Ausgabe enthielt noch mehr Beiträge aus dem Buch »Als ich alt war« (welches zeitgleich im Oktober erscheint): so erfahren wir nicht mehr, was Simenon über Psychoanalyse denkt und auch nichts mehr über sein Verhältnis zu Charlie Chaplin und zum Geld. Der Trost: wir haben ja das Gesamte. »Der Roman vom Menschen« ist ebenfalls nicht mehr enthalten, die Abschrift eines Vortrages, den Simenon gehalten hat. Geblieben sind seine Anmerkungen über Lektüre und über letzte Jahrhundert, sowie die Reportagen über Besuche bei Trotzki und bei den zwölf Häuptlingen. Im Non-Maigret-Erzählungsbereich wurden »Der Arzt von Kirkenes« und »Das Verbrechen des Unliebenswürdigen« gestrichen und zu »Monsieur Safts Schicksal« gesellt sich in der aktuellen Ausgabe »Der kleine Schneider und der Hutmacher«.

Der Maigret-Bereich wurde nach meiner Ansicht wirklich verfeinert: »Die Aussage des Ministranten« blieb, »Die Versteigerung« entfiel – dafür gibt es »Der Mann auf der Straße« und eine kleine Geschichte von Gabriel Garcia Márquez, die wirklich sehr lesenswert ist.

Für diejenigen unter den Simenon-Liebhabern, die eigentlich alles besitzen, ist in dem Band ein bisher nicht veröffentlichte Geschichte mit dem Titel »Der Orangenbaum auf den Marquesas-Inseln enthalten.

Schlussendlich enthält der Band noch den Briefwechsel Simenons mit André Gide, der um 18 Briefe zur ursprünglichen Version erweitet wurde, und Simenons »Brief an meine Mutter«.