Maigret und die Gangster

Korrespondenten-Look


Das Drehbuch hält sich weitgehend an die Originalvorlage, so dass der Teil der Zuschauer, die das Buch schon gelesen hat, nicht mit dem Finger auf den Fernseher zeigen kann und sagen kann, dass das ja gar nichts mit dem Buch zu tun haben würde. Allerdings reibt man sich schon verwundert die Augen, wenn man sich die Interpretation anschaut: Es ist eine Art Gangster-Komödie geworden, in der Maigret mitspielt.

Man kann es in der Folge an der Figur des Torrence festmachen. Entweder ist er in den anderen Folgen, die ich bisher gesehen habe, noch nicht in Erscheinung getreten, oder er war schlicht nicht da. In dieser Folge war er mit dabei und wurde zur Bewachung einer Tänzerin eingesetzt und schon mit der ersten Konfrontation ist es komisch. Allerdings nicht so komisch, dass ich wirklich drüber lachen konnte, sondern in der Form, dass ich dachte: »Gut, es ist nur ein Film. Aber das ginge doch überhaupt nicht.« Der riesige Torrence lässt sich von einer Verdächtigen herumschubsen, als ob er ein Tölpel wäre. Da würde ich mir denken, dass dies weder in Frankreich noch in irgendeinem anderen Land denkbar wäre: Polizist ist Polizist.

Interessant auch, wie schnell die Verdächtige sich dann mit ihrer Bewachung arrangiert. Beim nächsten Auftritt sieht man, dass die beiden schon rumschmusen.

Dafür hatte er sich sogar die Schuhe ausgezogen. Nun wurde aber Torrence für ein Überfallkommando abgeholt, da ihn Maigret unbedingt dabei haben wollte – bewaffnet. Die Schuhe sind also wieder anzuziehen, was er vergessen hat und so mitgehen will, und dann gibt es einen Schwenk auf seine Füße und man sieht die kaputten Socken. Aha! Wer jetzt meint, dass das schon das humoristische Highlight war, der wird bei der Überfall-Szene noch einmal überrascht. Maigret und Kollegen haben gegen die Gangster zu kämpfen. Der Zuschauer bekommt schon zuvor mitgeteilt, dass es keine lange Schießerei geben wird, denn die Gangster haben nur wenig Munition. Nachdem die Munition alle war geht man also mit den Fäusten aufeinander los. Dabei gelingt es Torrence, einen der Gangster mit einem Tritt in den Hintern zu disziplinieren. Sieht man so in gängigen Action-Filmen seltener, vermutlich weil es eine recht akrobatische Bewegung ist, bei der die Gefahr besteht, dass man selber auf dem Hosenboden landet und damit ins Hintertreffen gerät. Der Einzige, der das mit Anstand und Würde absolvieren kann, ist Bud Spencer (das ist aber ein anderes Thema). Hinzu kommt noch, dass man nicht einen Faustkampf gegen jemanden startet, der einen mit einer Schusswaffe bedroht und damit klar im Vorteil ist. Sei’s drum!

Lognon

Ehrlich gesagt, ich komme auch mit der Darstellung von Lognon nicht zurecht: Er ist bekanntermaßen ein Pechvogel. Das Pech ist ihm auch – vorlagengerecht – erhalten geblieben. Aber der Rest? Lapointe und Lucas lästern über ihn. Maigret gibt sich sehr beschwichtigend. Aber er scheint ein Teil des Teams zu sein und das ist er im Buch nicht. Dort ist er ein Einzelgänger, der unzufrieden damit ist, dass er die Ergebnisse teilen muss. Das sagt Lognon in dieser Folge auch, aber er gibt sich nicht so. Er wird damit wie Torrence zu einem Clown und das wird der Vorlage nicht gerecht.

Lobenswert ist dagegen, dass man ihm auch ein wenig Glück gönnt. Seine Ehefrau entschließt sich nach dem Überfall durch die Gangster, die Stadt zu verlassen und gibt ihm zum Abschied mit auf den Weg, dass sie erst wiederkommen würde, wenn der Fall gelöst wäre. Das hätte Lognon eigentlich motivieren sollen, sich nicht so in den Fall hineinzuhängen.

 

Ein wenig irritierend fand ich, dass seine Wunde beim Auffinden auf einer ganz anderen Seite gewesen war, als der Verband in einer der darauffolgenden Szenen.

Die FBI-Kollegen

Besonderen Spaß bereiteten mir die Szenen mit den FBI-Kollegen: Was man von Korrespondenten-Berichten gewöhnt ist, nämlich dass der Korrespondent im Studio sitzt und hinter ihm ein Bild einer örtlichen Sehenswürdigkeit zu sehen ist, obwohl man weiß, dass das nicht gehen wird, wirkt in einem Film oder in einer Fernsehfolge manchmal komisch oder albern.

Mein erster Gedanke, als das Büro eingeblendet wurde und man das Capitol im Hintergrund sah: »Das ist aber nah dran!« Nun haben die Serienschöpfer damals nicht dran gedacht, dass fünfzig Jahre später Klugscheißer wie ich daherkommen und sich das mal näher anschauen. Aber es ist so wie es ist und so, wie es dargestellt wird, kann es nicht sein. Die Straße war wohl auch schon immer da, immerhin handelt es sich um die First Street und dreht man sich um, sieht man zwei bildhübsche Gebäude, von denen eines das Oberste Gericht und das andere die Kongress-Bibliothek ist. In beiden hat ein FBI-Agent vermutlich nicht sein Büro.

In Paris erzählt ein FBI-Kollege Maigret, dass ein Mann aus dem fahrenden Auto gesprungen sei und dann erschossen wurde. Das hatte ich anders in Erinnerung: Das Auto hält an und die Beifahrertür geht auf. Man fragt sich, wer jetzt herauskommt… Ein Mann in einem lustigen Anzug kommt aus dem Auto und rennt weg. Die Insassen aus dem Auto schießen dann auf den Wegrennenden. Aber das Auto steht auf jeden Fall, warum auch immer es angehalten hat.

 

Letztlich noch das Nacht-Rätsel: Maigret telefoniert mit Washington. Anhand des Fensters kann man sehen, dass es dämmert. Der FBI-Kollege antwortet ihm, in ein zwei Sätzen und man sieht wieder Maigret und das Fenster im Hintergrund. In Paris ist plötzlich tiefste Nacht. Wie kann das denn gehen?

Fazit

Wie ich es sehe, hatte Maigret in der Folge theoretisch drei Kontrahenten: die Gangster, das FBI und Lognon.

  • Lognon, weil er so ist, wie er ist, aber hier nicht sein darf. Das ist schade und man hätte mehr draus machen können.
     
  • Das FBI, weil es seine eigenen Interessen erfolgt und der Pariser Polizei den Umgang mit amerikanischen Gangstern nicht zutraut. Der Konflikt ist ganz gut dargestellt.
     
  • Die Gangster fand ich herausragend, besonders das Narbengesicht. Viel Text hatten sie nicht, aber sie haben so richtig böse geguckt.
     

Blöd, dass man die Folge auf komisch machen musste. Das macht die Folge von denen, die ich bisher gesehen habe, zur schwächsten.