Auf der Seine

Ein Groschen für die Idee


Da hatte einer nachgerechnet! Das Buch und die Hörspiele nach der Geschichte »La guinguette à deux sous« liefen als »Maigret und die Groschenschenke«. Warum eigentlich? Ganz einfach: Den Sou gab es als Währung in Frankreich schon seit 1795 nicht mehr, aber im Volksmund galt er für das 5-Centime-Stück. Die zwei Sous aus dem Originaltitel ergaben einen Groschen.

An der Hörspiel-Produktion ist bemerkenswert, dass es in der Serie des Bayerischen Rundfunks zu den frühen Maigret-Stücken gehört – zusammen mit der Geschichte um den gelben Hund. Die übrigen Produktionen waren Maigrets, die relativ kurz zuvor von Simenon geschrieben und veröffentlicht wurden.

Bei der Betrachtung der Besetzungsliste dieses Hörspiels fällt einem auf, dass Elmar Wepper wieder einmal eine Nebenrolle spielte. Aber die Undankbarste hatte nicht etwa Wepper, sondern der, der von dem Kommissar mit »Jean« angeredet wurde. Beim Hören hatte ich mich gefragt, wer oder was dieser Jean überhaupt macht. Erst beim Betrachten der auf der Webseite hinterlegten Besetzungsliste wurde mir klar, dass es sich um einen Büro-Diener handelte. Da hätte ich selber drauf kommen können, aber der Umgangston Maigrets mit dem Jean war derart harsch, dass ich eher an einen Inspektor gedacht hatte. An einen, der für dieses Hörspiel erfunden worden ist, denn ein Inspektor-»Jean« ist mir nicht bekannt. Die Bürodiener waren in meiner eigenen Imagination älter und würdevoller – und so würde sie der Kommissar auch behandeln.

Gespielt wurde der Bürodiener von Heini Göbel. Das ist ein Name, der Aufmerksamkeit erregt – der Schauspieler war eine größere Nummer und gehörte in den 50er- und 60er-Jahren zu den bekanntesten Darstellern in deutschen Heimatfilmen. Später dann war er immer wieder in Gastrollen im Fernsehen zu sehen, insbesondere auch in Krimireihe wie »Der Kommissar«, »Der Alte« und »Derrick«. Göbel spielte bis ins hohe Alter Theater und ging, er war schon fast 90 Jahre alt, auf Tournee. Er starb 2009 im Alter von 99 Jahren.

Nun gab der Schauspieler den Büro-Diener in insgesamt fünf der Folgen dieser Krimi-Reihe und erst in dieser fiel mir die Figur auf. Weiß nicht, was das über meine Aufmerksamkeit aussagt. Mag aber sein, dass mir das Verhalten Maigrets in dieser Folge besonders ruppig vorkam.

Was passierte ...

Die zu hörende Geschichte hält sich im Großen und Ganzen an das, was Simenon im Buch vorgibt. Madame Maigret ist auf Reisen und Maigret ist allein zurückgeblieben. Auf der Straße hörte er durch Zeitungsjungen (besagter Wepper-Junge), dass ein alter »Klient« von ihm vor der Hinrichtung steht und begibt sich daraufhin zu ihm. Das Rätsel, was Maigret bewegte, wird auch in dieser Adaption nicht gelüftet. Aber er bekommt verraten, dass Lenoir beobachtet hatte, wie ein Mörder eine Leiche entsorgt hatte. Das war ein schöner Nebenverdienst, denn der Mann ließ sich in der Folge gut erpressen. 

Während Lenoir seinen Gang zum Schafott anzutreten hatte, machte sich der Kommissar auf die Mörderjagd.

Wie durch ein Zufall bekommt er am nächsten Tag in einem Hutgeschäft, wo er sich mit einem Inspektor seiner Garde aufhielt, einen Hinweis. In der Folge gerät er in eine Sammlung aus Affären, Schießereien und einer Gefangenenflucht. Die frühen Maigrets boten noch echte Action! Sie wirkten aber auch alle samt ein wenig konstruiert und vieles blieb dem Zufall überlassen.

Maigret sollte sich jedoch bald nicht nur mit einem Mord beschäftigen, der vor vielen Jahren passiert war. Direkt vor seiner Nase wird ein Mann erschossen, in der gleichen Causa, und er ist unmittelbar involviert.

Von den Produktionen, die ich bisher aus der Reihe gehört habe, war dies das Kürzeste. Aber ich würde nicht behaupten, dass es nur deshalb kurzweilig war. Die Inszenierung ist gelungen, emotional darf man sich nicht an der merkwürdig ruppigen Stimmung Maigrets stören. 

Wie um meine Worte Lügen zu strafen, gibt es in dem Hörspiel auch Szenen, in denen »Bonjour Madame! Bonjour Monsieur!« zu hören ist, ein merkwürdiger Bruch mit den üblichen Gewohnheiten – aber die kultivierten Töne sind von einem Schaffer zu vernehmen.