Nachruf


Heute ist unser Hochzeitstag, das Wetter ist schön, wir werden ein gutes Restaurant heimsuchen und so sang ich auf der Heimfahrt zusammen mit Anna Ternheim "Today Is A Good Day". Zu Haus bekam ich die Neuigkeiten von meiner Frau präsentiert, allesamt wenig dramatisch.

Das dramatischste, was ich mit der Post zu erwartete, war die Benachrichtigung einer Polizeibehörde in Brandenburg über meine Geschwindigkeitsübertretung. Wie sehr sich Maßstäbe verschieben, wird einem dann klar, wenn man einen Briefumschlag öffnet, der ein schwarzes Inlet hat. Drinnen die Nachricht, dass Bernd Fischer verstorben ist.
Viele Kontakte knüpfte ich im Jahr 2003, dem Simenon-Jahr. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es im Sommer gewesen war, in dem ich intensiv an der Bibliographie zu deutschsprachigen Ausgaben gearbeitet habe. Ich habe die Mails leider nicht mehr, die wir damals wechselten, aber in diesem August kam der Kontakt zustande. Ich generierte aus meinem Datenbestand immer neue PDF-Fassungen und schickte sie Bernd, der sie mir dann teilweise in Papierform, teilweise elektronisch, mit seinen Korrekturen zurücksendete.

Gerade was exotische Ausgaben anging, konnte er sich in Kataloge vergraben und danach recherchieren. Er brachte die Simenon-Bibliographie gerade in Hinblick auf die Ausgaben, die aus dem Englischen zuerst übersetzt worden sind, auf Trab. Wie ich schon bei dem ersten Erscheinen der Bibliographie im Jahrbuch der Simenon-Gesellschaft erwähnte, war ich ihm zu großem Dank verpflichtet.

In den folgenden Jahren hatte ich immer wieder beruflich in Köln zu tun, und wir nutzten diese Seasons, um uns zu sehen, zu plaudern. Wenn man sich vorher nur elektronisch gekannt hat, ist man immer gespannt, wem man gegenüber tritt. Wir hatten uns das erste mal, wie in Köln üblich, vor dem Dom verabredet. Ich war nackt, aber Bernd kam mit einer dicken Aktentasche und so sollte es auch die nächsten Male sein. In dieser Tasche hatte er stets seine neuesten Errungenschaften. Wie eigentlich bei jedem Treffen mit einem Simenonisten gehörte die ausführliche Würdigung der neuesten Eroberungen zum Ritual. Danach wurde ausgiebig darüber geplaudert, was einem noch fehlte, wonach man jagde - im Mittelpunkt standen da bei uns immer die Ausgaben der Schlesischen Verlagsanstalt, als Traum sogar mit Schutzumschlag.

Mehr noch als auf die Romane hatte sich Bernd Fischer auf die Sekundärliteratur zum Thema Simenon kapriziert. Ich habe gerade vorhin noch seine Mail gelesen, in der er mir mitteilte, dass er nun endlich L’univers de Simenon ergattert hätte. Man konnte die Begeisterung und den Unglauben über den Glücksfall aus der Mail herauslesen. Aus seiner Begeisterung für das Sammeln und Jagen, wie ich es gern nenne, ist auch seine zweite Großtat im Simenon-Kontext entstanden: eine Bibliographie über die weltweite Sekundärliteratur zum Thema-Simenon, die im letzten Simenon-Jahrbuch erschienen ist.

Waren wir bei unseren Treffen mit den Simenonschen Themen durch, kamen wir auf andere Leidenschaften zu sprechen. Eine gemeinsame Leidenschaft hatten wir noch: Frankreich. Was Wunder!

Ich werde seine Anregungen, Bemerkungen und Hinweise sehr vermissen.

Bernd Fischer, der kurz vor seinem 62. Geburtstag plötzlich und gänzlich unerwartet verstarb, hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Der Familie gilt mein ganzes Mitgefühl.