Achtung – Spoiler! In den Bewertungen kann verraten werden, was und warum etwas passiert! Lesen Sie bitte auch die Informationen zum Bewertungssystem. Die vorgenommene Bewertung kann sich von der subjektiven Meinungs auf maigret.de unterscheiden. Und auch wenn ein Score Wissenschaftlichkeit suggeriert, handelt es sich wiederum nur um eine Meinung.
Die Bewertungen werden durch ein KI-System erstellt, das mit einer skeptischen Grundhaltung arbeitet: Jedes Werk gilt als unterdurchschnittlich (Startwert 4.5), bis das Gegenteil bewiesen ist. Da Simenon etwa 350 Werke verfasst hat – die meisten davon Routinearbeit – muss jeder Punkt über 5.0 mit einem expliziten Beweis und Zitat belegt werden.
Vor der Detailanalyse wird jedes Werk mit Referenz-Werken verglichen:
Dieser Vergleich definiert einen Score-Korridor, den die Detailbewertung nur mit sehr guter Begründung verlassen darf.
Alle Dimensionen starten bei 4.5 (Routinearbeit), außer Lesbarkeit (5.0, da Simenon immer lesbar ist):
| Dimension | Roman | Novelle | Kurzerzählung |
|---|---|---|---|
| Struktur | max. 10 | max. 8 | max. 7 |
| Psychologische Tiefe | max. 10 | max. 8 | max. 7 |
| Realismus | max. 10 | max. 9 | max. 8 |
Stärken sind selten – sie müssen über die Dimensionswerte hinausgehen und mit Zitat belegt sein:
Schwächen sind Pflicht – die Anzahl hängt vom Score ab:
Gewichtung: Leicht (-0.2), Moderat (-0.4), Schwer (-0.6), Gravierend (-0.8)
Bis zu acht KI-Kritiker-Perspektiven ergänzen die Bewertung. Der Marcel ist immer dabei, die anderen können je nach Werk hinzugewählt werden:
Profis:
Laien & Spezialisten:
Das System enthält mehrere Kontrollmechanismen:
| Score | Bedeutung | Häufigkeit |
|---|---|---|
| 3.5–5.0 | Unterdurchschnittlich | ca. 40% |
| 5.0–6.0 | Durchschnitt | ca. 35% |
| 6.0–7.0 | Überdurchschnittlich | ca. 18% |
| 7.0–8.0 | Gut bis sehr gut | ca. 6% |
| 8.0+ | Herausragend | ca. 1% |
| Phase | Typischer Score-Bereich |
|---|---|
| Frühwerk (bis 1935) | 4.5–6.5 |
| Mittlere Phase (1936–1950) | 5.0–7.5 |
| Reifewerk (ab 1951) | 5.5–8.5 |
Jede Bewertung dokumentiert auch problematische Aspekte nach heutigen Maßstäben (rassistische Stereotype, koloniale Perspektiven, Frauendarstellung) – nicht um abzuwerten, sondern um Kontext für heutige Leser zu bieten.
Literarischer Score (Final)
6.8
von 10 Punkten
Der Marcel
Der strenge Kritiker - scharf, direkt, polarisierend
"Simenon zeigt hier sein ganzes Können - und seine Grenzen. Die Konstruktion ist meisterhaft, die Atmosphäre dicht, die Spannung konstant. Aber am Ende bleibt es doch nur ein Krimi, wenn auch ein sehr guter. Die Darstellung der Ausländer als 'wilde Tiere' ist literarisch effektvoll, menschlich aber fragwürdig."
Der Hellmuth
Der elegante Feuilletonist - diplomatisch, gebildet, charmant
"Aber Marcel, das ist doch großes Kino! Diese Maria - eine Lady Macbeth des Verbrechens! Und wie Simenon den toten Albert zum Leben erweckt, das ist pure Erzählkunst. Gewiss, es bleibt Unterhaltung, aber Unterhaltung auf höchstem Niveau. Manchmal ist das mehr wert als mancher prätentiöse Literaturpreis-Roman."
Stärken-Bonus:
Schwächen-Abzüge:
Stärke 1 (herausragend): Innovative Erzählstruktur mit der posthumen Charakterentwicklung Alberts
"Wann genau wurde Nines Mann Maigrets Toter, wie man ihn später bei der Kriminalpolizei nannte?"
Stärke 2 (bemerkenswert): Außergewöhnliche Figurenzeichnung der Maria als faszinierendes Monster
"Sie war nicht einmal eitel. Die Kleider, die man in dem Zimmer gefunden hatte, waren billige Sachen, die sie wohl schon in ihrem Heimatdorf getragen hatte."
Schwäche 1 [B: Figuren] (moderat)
Überkomplexe Handlungsführung mit zu vielen Nebensträngen
"Die Vielzahl der Schauplätze und Figuren (Chevrier-Episode, Nine-Handlung, Rennbahn-Recherchen) verwässert stellenweise die Haupthandlung."
Schwäche 2 [E: Thematik] (moderat)
Klischeehafte Darstellung der "wilden" Ausländer
"Sie alle hätten ebenso gut nackt im Wald oder im Dschungel leben können, in einer anderen Epoche oder in anderen Breitengraden."
Simenons Prosa erreicht hier eine bemerkenswerte Dichte und Präzision. Die Sprache ist zwar weiterhin funktional, aber mit ungewöhnlicher Sorgfalt gearbeitet. Besonders gelungen sind die atmosphärischen Passagen und die psychologischen Nuancierungen.
"Sie war eine beeindruckende Erscheinung. Ihre Nasenflügel bebten. Ihre vollen Lippen bildeten einen Schmollmund. Wie die ganze Bande war sie nicht mit menschlichen Maßstäben zu messen."
Die Konstruktion ist meisterhaft: Zwei scheinbar getrennte Handlungsstränge (Alberts Mord und die Picardie-Bande) werden elegant verknüpft. Die Auflösung des Rätsels um die transportierte Leiche ist überraschend, aber rückblickend logisch. Das Pacing ist durchgehend spannend.
"Es waren nicht Alberts Mörder, die seine Leiche an der Place de la Concorde abgeladen haben."
Außergewöhnlich für einen Maigret-Roman ist die psychologische Komplexität. Maria wird als faszinierendes Raubtier gezeichnet, Albert posthum als liebenswerte Figur entwickelt, und selbst Nebenfiguren wie Nine erhalten menschliche Tiefe. Maigret selbst zeigt ungewöhnliche emotionale Beteiligung.
"Seit halb drei Uhr morgens lebte er nur noch für seinen Toten."
Das Werk behandelt die Konfrontation zwischen Zivilisation und Barbarei mit ungewöhnlicher Schärfe. Die Darstellung der Bande als "wilde Tiere" ist nicht oberflächlich, sondern philosophisch durchdacht. Die Frage nach Gerechtigkeit und Menschlichkeit wird subtil verhandelt.
"Sie hatten sich ein für alle Mal entschlossen, als Außenseiter zu leben. Sie waren reißende wilde Tiere, die sich vom Blöken der Schafe nicht rühren ließen."
Die Milieuschilderungen sind von dokumentarischer Präzision. Besonders die Darstellung der Rue du Roi-de-Sicile und der Rennbahnszenen wirkt authentisch. Die Polizeiarbeit ist detailliert und glaubwürdig geschildert.
"Es war so ziemlich alles dabei: Aufenthaltsverbote, gefälschte Personalausweise, Zuhälter, Polen und Italiener, die nicht gemeldet waren."
Trotz der Komplexität der Handlung ist der Roman von der ersten Seite an fesselnd. Simenon schafft es, mehrere Handlungsstränge parallel zu entwickeln, ohne den Leser zu verwirren. Die Spannung wird bis zum Schluss aufrechterhalten.
"Maigret verschwieg den beiden lieber, dass Albert tot war, denn er fürchtete, dass sonst endloses Wehklagen und Seufzen gefolgt wäre."
📊 Qualitäts-Perzentil: ✓ Obere Mitte (Überdurchschnittlich)
📚 Referenzwerk: Le chien jaune
⚡ Spannungsprofil
hoch
🎭 Tonalität
ernst
💋 Erotischer Gehalt
angedeutet
⚔️ Gewalt
intensiv
🏛️ Milieu
Pariser Unterwelt, Rennbahnen, Immigrantenviertel
⚠️ Rassistische Stereotype
👥 Frauendarstellung: problematisch
⚠️ Klassistische Darstellungen
📜 Kontexthinweis:
Der Roman spiegelt die Xenophobie der Nachkriegszeit wider, in der osteuropäische Immigranten als Bedrohung wahrgenommen wurden. Die Darstellung der "wilden" Ausländer bedient zeitgenössische Vorurteile. Trotz literarischer Qualitäten sollte diese ideologische Dimension kritisch reflektiert werden.
Ein handwerklich brillanter Maigret-Roman mit innovativer Erzählstruktur und außergewöhnlicher psychologischer Tiefe. Trotz problematischer Darstellung der Ausländer als "wilde Tiere" ein Höhepunkt der mittleren Schaffensperiode, der die Grenzen des Krimigenres intelligent auslotet.