Ich habe die Rupert-Davies-Maigret-Verfilmungen als Episoden betrachtet – jede für sich unabhängig. Beschäftige ich mich tiefer mit einem Maigret-Roman, dann schaue ich mir die Verfilmungen dazu an – so ich Zugriff habe. Da ich die BBC-Reihe nicht Folge für Folge betrachte, war mir nicht aufgefallen, dass die Folgen zueinander Bezüge haben.
Da irrt ein Mann durch Paris und nimmt sich einfach Sachen aus den Auslagen der Geschäfte, deren Besitzer nach der Polizei rufen. Maigret ist vor Ort und stellt fest, dass der Mann eine Kopfwunde hat, die erklärt werden sollte. Der Kommissar nimmt den Mann, der also nicht nur eine komische Wunde hat (auch wenn sie gut verheilt ist) und sich komisch verhält, mit. Der Fremde kann nicht verraten, wer er ist. Er spricht nicht.
Wenn ein Bild mehr als tausend Worte sagt, dann wohl das, was wir oben sehen. Werden Simenon-Filme im Fernsehen ausgestrahlt, dann hat das immer einen Niederschlag auf die Besuchszahlen hier – wie im letzten Monat. Auf die Ausstrahlung von »Die Witwe und der Sträfling«, immerhin mit Zugpferden wie Simone Signoret und Alain Delon, bin ich leider nur durch die Statistik aufmerksam geworden.
Eine Frau und ein Mann nach dem Sex in einem Hotelzimmer. Sie liegt. Er steht vor einem Spiegel und betrachtet sich. Ein beiläufiges Gespräch für ihn, für sie nicht. Der Mann blickt aus dem Fenster und sieht, dass der Ehemann seiner Zimmergenossin auf das Hotel zusteuert und das ist der Moment, wo er in Panik verfällt. Allerdings nicht der Moment, in dem sein Leben aus den Fugen gerät – das geschah Monate früher.
Eine Frau kommt ums Eck und hinter ihr stolpert ein Mann, vollgepackt mit Einkäufen, ins Bild. Das Pärchen muss an Mitarbeitern von Maigret vorbei, die vor sich hin feixen, in was für eine Situation sich ihr Chef gebracht hat. Denn die Frau, deren Einkäufe er trägt, ist nicht mal seine eigene – er versucht herauszufinden, was Félicie weiß. Schwierig, denn Félicie mag Maigret überhaupt nicht und wittert überall eine Falle.
Es stürmt hier arg und Übles ist noch zu erwarten. Ob es Maigret in dieser Geschichte besser hat, weiß ich nicht – er kämpft mit der Hitze der Hundstage, bereitet sich seelisch und moralisch auf seinen Urlaub vor. Madame Maigret ist am Packen und erwartet ihren Mann zu Hause. Der bekommt Besuch von einer Bekannten, die vor vielen Jahre versucht hat, ihn auf die Knochen zu blamieren: Bohnenstange. Sie hat Sorgen.
Es ist nicht so, dass Maigret nicht wirklich mit Fernsehgeräten zu tun gehabt hat: In den späteren Maigrets wird davon berichtet, dass der Kommissar und seine Frau ihre Abend vor der Flimmerkiste verbrachten. Allerdings ist es nicht so, dass Simenon prophetische Fähigkeiten im Hinblick auf technische Entwicklungen gehabt hätte, weshalb auch der zweite Fund in »Maigret in Nöten« eher einem Übersetzungstrend folgte.
Ein wenig morbide ist mein Interesse für Nachrufe schon. Während das Interesse an den Traueranzeigen und Nachrufen in Zeitungen noch beruflich erklärbar ist, ist mein regelmäßiger Blick in die Sterberubrik bei der Wikipedia wohl reine Neugierde. Der Tod von französischen Schauspielern lockt mich immer wieder und ich kontrolliere, ob die Biographie bzw. Filmographie irgendetwas mit Simenon-Bezug hergibt.
Ist schon ein Weilchen her, dass ich einen Maigret gesehen habe. Also schnappte ich mir diesmal einen aus der ersten Staffel und das war »Hier irrt Maigret«. Es war keine bewusste Wahl, denn die Benennung der Dateien schlug damals fehl und so ist es immer eine Überraschung, was mich erwartet. Es bleibt auch noch ein wenig Vorfreude, denn irgendwann kommt sicher auch »Mein Freund Maigret«, so hieß die Datei diesmal.
Als ich »Die Marie vom Hafen« das erste Mal las, dachte ich mir schon, dass das einer der Simenons sein wird, die ich ohne Probleme mehrmals lesen kann. Nun ist es nicht gerade einer fröhlicher Einstand, wenn eine Familie auseinandergerissen wird, da nach der Mutter auch der Vater gestorben ist. Es stellt sich schnell eine gewisse Neugierde ein, was diesen Chatelard wirklich umtreibt, der um die Marie herumscharwenzelt.
Das Drehbuch hält sich weitgehend an die Originalvorlage, so dass der Teil der Zuschauer, die das Buch schon gelesen hat, nicht mit dem Finger auf den Fernseher zeigen kann und sagen kann, dass das ja gar nichts mit dem Buch zu tun haben würde. Allerdings reibt man sich schon verwundert die Augen, wenn man sich die Interpretation anschaut: Es ist eine Art Gangster-Komödie geworden, in der Maigret mitspielt.
Das geht heute nicht mehr, habe ich ein-oder zweimal gedacht, als ich die Folge »Maigret und die Anarchisten« sah. Van Damme hatte Maigret in Reims vor einen Zug geschubst, der dann aber auf einem anderen Gleis fuhr. Maigret nimmt ihn mit nach Paris und verhört ihn dort. Der Beschuldigte redet sich heraus: Das könne man ihm nicht beweisen. Er sage, Maigret sei gestolpert. Gut für van Damme – es gab keine Zeugen.