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Kleine Maigrets


Lang dauerte Abschied von Kommissar Maigret nicht. Mitte der dreißiger Jahre kehrte Simenon zu seinem Kommissar zurück und machte ihn in Kurzgeschichten zum Schnell-Ermittler. Der Kommissar bereitete sein Comeback vor.

So ganz konnte Simenon dann doch nicht von den Maigret lassen. Gott sei Dank, kann man sagen, denn seine produktivste Phase sollte erst noch beginnen.

Mit den Maigrets hatte sich etwas Entscheidendes für Simenon geändert: sein Status. Erfolgreich und wohlhabend war er schon vor der Veröffentlichung der Maigrets. Aber sein Name war kaum bekannt. Er schrieb unter den verschiedensten Pseudonymen Massen-Literatur, die konsumiert wurde wie die Zeitung.

Es ist nicht so, dass die Simenons die Popularität wirklich ausgekostet hätten. Sie gaben den großartigen Ball und verschwanden kurz darauf aus der Stadt, Simenon schrieb seine Maigrets weiter und ließ dann Maigret in den Ruhestand geben. Simenon verschrieb sich dem, was er Roman dur nannte und wollte einen großen Roman schreiben. Wenn man den Zeitraum 1934 bis 1936 betrachtet, findet man einen großen Roman: »Das Testament Donadieu«, der mit zu den umfangreichsten Romanen Simenons zählen darf. Gewiss gehört der Roman auch zu den besseren Romanen Simenons, aber zu den besten würde ich ihn nicht zählen.

Die Ursuppe
Es war keine leichte Geburt, dieser Maigret. Staatliche Ausmaße erfolgen hohen Einsatz. Ganz so, wie Simenon es später schilderte, ist der Kommissar wohl nicht geboren worden. Uns ist es egal, Hauptsache er ist gesund und hat sich prächtig entwickelt. 
Wie ein Bär
Müssten wir den ersten der Maigrets nicht preisen? Schließlich ist es der Beginn einer Reihe, die viele Menschen fasziniert und unwahrscheinlich gern gelesen wird. Der Beginn eines Serie, mit der Simenon eine Popularität erzielte.  
Das schleichende Ende
Dem ersten (offiziellen) Maigret folgten eine ganze Reihe von Maigrets, denen man erfreulicherweise eine steigende Qualität bescheinigen konnte. Allerdings war nach drei Jahren schon wieder Schluss. Aber nur so halb. 
Die große Zeit
Die Kurzgeschichten waren nur ein Zwischenspiel, Fingerübungen für Simenon. Anfang der 40er Jahre kehrte Maigret zurück und sollte gedeihen. Er gewann an Format und Erfahrung. Simenons Anfängerfehler, wenn man sie so nennen will, sind in diesen Romanen nicht zu finden. 
Ausklang
Gold war damals auch Gold, aber im Fernsehen halt noch schwarz-weiß. Maigret trat von der großen Leinwand, auf der er meisterhaft von Jean Gabin verkörpert wurde, in die kleine Kiste und mit dieser wurde Rupert Davies zum Sinnbild für Maigret. Zumindest für die Engländer und Deutschen. 

1936 wendet sich Simenon auch wieder seinem Kommissar zu. Zuerst in der kleinen Form: Zwischen 1936 und 1938 schreibt er eine ganze Reihe von Kurzgeschichten, die zuerst in Zeitschriften erscheinen und später erst in Buchform gepresst werden.

Hierzulande hat man es mit den Kurzgeschichten recht schwer: Sie sind über diverse Bände kreuz und quer verteilt. Hat Simenon sie im Original klar strukturiert zusammen gepackt, so findet man im deutschsprachigen Raum nur kleine Häppchen und ist leider dann noch nicht vollständig. Die Hoffung ruht jetzt auf der Werkausgabe der Maigrets, bisher stehen nur die Romane fest - hoffen wir das Beste auch für die Kurzerzählungen.

Simenon hat sich in der Zeit der Maigret-Kurzerzählungen auch an anderen Detektiven versucht. Zu nennen wäre da beispielsweise der kleine Doktor, dem (und seinen Kollegen) auf diesen Seiten ein eigener Artikel gewidmet ist. Simenon kommt aus der humorvollen Ecke, seine ersten Werke waren Satiren und Parodien, und mit dem kleinen Doktor schien es so, als würde er diesen Pfad wieder betreten. Aber auch Maigret wird mit den Jahren lockerer und ihn ihm finden sich häufiger lustige und amüsante Momente.

Ansätze hierfür findet man auch bei den Erzählungen. Eine meiner Lieblingsgeschichten ist »Herr Montag« (»Monsieur Lundi«). Maigret folgt einem Clochard, der im Verdacht steht, irgendwie an dem Tod eines Dienstmädchens des Lungenarztes Dr. Barion beteiligt zu sein. Die Eltern des Dienstmädchens hatten den Arzt im Verdacht, und hatten Privatklage erhoben. Der Arzt hätte auch ein Motiv gehabt, schließlich war das Dienstmädchen schwanger gewesen - aber Maigret erscheint das nicht plausibel und so gerät der nette Monsieur Lundi ins Visier der Ermittlungen, denn er schneit jeden Montag bei den Barions hinein. Eine großartige Geschichte und prächtig erzählt.

Ebenfalls nett und amüsant ist die Geschichte »Sturm über dem Kanal«. Maigret wollte mit seiner Frau mal nach England, aber sie hängen fest, da gerade ein Sturm über dem Kanal tobt. Simenon lässt wieder mal ein Dienstmädchen umbringen, aber Maigret ist nicht im Dienst und beschließt solange es geht, die Füße still zu halten. Dabei hat er keine Scheu seine Frau in Verlegenheit zu bringen, und die übrige Ermittlungsmannschaft gleich mit. Amüsant auch, den Kommissar in der Rolle eines Zeugen zu sehen und dabei zu beobachten, wie er sich selbst in seiner Rolle als Zeuge beobachtet und wertet.

Wie man sich denken kann, ist natürlich Madame Maigret auch in der Erzählung »Madame Maigrets Liebhaber« mit von der Partie. Dabei zieht der Kommissar seine Frau mit einem Mann auf, der auf einer Bank vor dem Haus der Maigrets sitzt (hier übrigens nicht der Boulevard Richard-Lenoir sondern der Place des Vosges). Blöd nur, als sich dieser nicht mehr bewegt und der Kommissar feststellt, dass der fiktive Liebhaber seiner Frau mausetod ist. Und obwohl er älter aussah, muss der Kommissar feststellen, dass dies alles wohl nur Schein war und der Mann nicht an Altersschwäche verstorben war. Parallel zu den Ermittlungen ihres Mannes, der das Ganze mal wieder sehr persönlich war, nimmt auch Madame Maigret Ermittlungen auf. Und ihre Ergebnisse können sich durchaus mit denen ihres Mannes messen, wie der Kommissar schlussendlich feststellen darf.

Diese drei Geschichten gehören mit zu den besten, die Simenon als Maigret-Erzählung geschrieben hat. Es gibt wenige Geschichten, die ich nicht unbedingt empfehlen würde: »Die Versteigerung« gehört nicht zu meinen Favoriten und »Pigalle« ist so kurz, dass man noch nicht einmal richtig eingeatmet hat, da ist sie auch schon wieder vorbei. Mit in der Sammlung sind zwei Erzählungen mit recht martialischen Titeln (»Der Kahn mit den beiden Erhängten« und »Das Wirtshaus zu den Ertrunken«).

Erfreulicherweise kann man mit den Kurz-Erzählungen über Maigret nicht sehr viel falsch machen. Noch erfreulicherweise waren die Erzählungen Fingerübungen für das Kommende. Das große Comeback des Kommissars.